"Trotzdem ist es nicht so schlimm wie es aussieht", beharrte Annie und seufzte leise, als Jordan David indirekt die Schuld an alldem gab. Jetzt ging es wohl wieder los. Wäre sie doch alleine gegangen ... "Und David hat gar nichts getan", sagte sie. "Er hatte diese wunderbare Idee, dass wir uns auch hier erholen können. Deswegen sind wir heute morgen losgefahren. Und es wäre ja auch Erholung gewesen, wenn unsere Hütte nicht doch so weit vom See entfernt liegen würde. Wir haben uns einfach verschätzt. Aber dafür sind wir auch schon ein paar Stunden unterwegs. Nicht, dass du denkst, er hätte mich durch die Gegend gescheucht. Ganz gemütlich sind wir gegangen und haben zwischendurch Pause gemacht. Und was soll ich denn im Bett? Ist doch nur ein Kratzer. Mir geht es gut. Ich nehme nachher eine Tablette und dann wollen wir uns einfach auf die Veranda setzen und den restlichen Tag genießen. Das ist doch wie in Boston. Nur mit frischerer Luft und mehr Ruhe." Sie grinste Jordan kurz an und zuckte dann mit den Schultern. "Du kennst mich doch ... im Bett hält mich nicht viel. Höchstens jemand, aber das willst du jetzt sicher nicht hören, oder?"
"Nein. Ehrlich gesagt, nein..," sagte JOrdan grinste dabei aber breit und öffnete Annie die Tür zum Badezimmer. Gott sei Dank hatte sie zumindest vorhin nach dem Duschen das Gröbste weggeräumt, so dass Annie tatsächlich hinein konnte, ohne das sie sich dafür schämen musst. "KEine Details bitte. Und du hast zwar Recht, was das 'gemütliche' gehen betrifft und Boston nur mit frischer Luft...trotzdem würde dir ein Bett besser tun. Hast du schon mal in den Spiegel geschaut? Du siehst müde aus, abgekämpft, ganz blaß um die Nase... ich weiß nicht, ob da nur ein "Sturz" für verantwortlich ist oder nicht... aber vielleicht fahren wir euch lieber zu eurer Hütte zurück und ihr beginnt mit diesem Gemütlich machen gleich? Damit von Davids toller Idee auch noch etwas hast? Der See ist zwar nicht mehr so weit, aber ein Stückchen müsst ihr schon noch laufen."
"Oh, so fühle ich mich auch im Moment", sagte Annie ohne groß darüber nachzudenken, was das für Auswirkungen hatte: Jordan würde David weiterhin für verantwortungslos halten, sie würden wirklich nach Hause gefahren werden, was an sich schon okay war, aber leider nicht ging, weil sie noch nach Abby suchen mussten. Und wie sollte sie Jordan da jetzt noch von überzeugen, dass sie zum See mussten? Diese Lügerei war eine ganz dumme Idee von ihr gewesen und Annie war einfach zu müde für Spielchen und Täuschungsmanöver. Trotzdem schaffte sie es erst einmal nichts zu sagen, sondern trat ins Bad ein und ging zum Waschbecken, um einen Blick in den Spiegel zu werfen. "Oh, du hast aber ziemlich untertrieben, Jordan", sagte sie und zog eine Grimasse, was sie aber gleich wieder bereute, als ein brennender Schmerz durch ihre Schläfe fuhr und sich die Wunde gefährlich zusammenzog. Mein, Gott. So konnte sie auf jede Halloweenparty gehen wo Kostümzwang herrschte. "Na ja", meinte sie. "Ein bisschen Wasser und fünf Minuten ausruhen sollten genügen. Dann bin ich wieder fit. Vielleicht dürfen wir euch ja beim Essen Gesellschaft leisten und zwei eurer Stühle belegen. Und keine Angst, wir wollen euch nichts wegessen oder so. Nur ... diese Ureinwohner hier hätten ruhig ein wenig großzügiger mit Bänken sein können. Am Weg entlang gibt es so was gar nicht. Sind die alle geklaut worden?"
"Nein, die stehen alle weiter vorne bei den Wanderwegen und am See," sagte Jordan mit einem kleinen Lachen und sah dann aber wieder ernster Annie dabei zu, wie sie sich inspizierte. "Und von wegen nur zusehen. Ihr dürft mitessen und bekommt auch was zu trinken. So weit käme es noch, dass wir unsere Freunde verhungern lassen. Es ist genug da. Wirkich. Umstände macht das nämlich keine. ist doch nur grillen," und wenn Woody das jetzt hören könnte.... "Schnell zwei TEller mehr und zwei Stühle...weil Wasser und fünf Minuten ausruhen da nichts bewirkt, fürchte ich," Jordan betrat das Badezimmer und machte sich an dem kleinen Badeschrank in der Ecke zu schaffen. Da hatte sie vorhin neben Handtücher auch einen Erste Hilfe Kasten gesehen. Und den nahm sie auch gleich heraus und hielt ihn hinter Annie in die Luft, damit sie ihn im Spiegel sehen konnte. "Der muss auch sein."
"Wie du meinst, Doc", sagte Annie seufzend. "Ich ergebe mich ja schon. Mach mit mir, was du willst, aber ... ich hab wirklich keinen Hunger. Die Einladung ist nett und ... ich bin dir auch dankbar dafür, aber ich schaue euch nur zu. Wenn ich darf. David kann meine Portion mitessen. Du weißt ja wie Männer sind: Immer hungrig und bei Fleisch werden sie zu wilden Tieren." Annie lächelte Jordan durch den Spiegel hinweg an und drehte erstmal das Wasser auf, um sich die Hände zu wischen, die ganz verkrustet und verdreckt waren. Und das kalte Wasser brannte dann auch gleich schon an den Stellen, wo die Dornen sie erwischt hatten und Annie drehte schnell das warme Wasser auf, um die Schmerzen erträglicher zu machen. "Ich möchte nur nicht, dass ihr denkt, wir wären nur gekommen, weil es bei euch was zu essen gibt, Jordan", erklärte sie. "Und fließendes Wasser. Hätten wir euren Wagen nicht gesehen, dann wären wir auch weitergegangen, aber so ... so wollten wir einfach mal hallo sagen. Ich hoffe, wir haben nicht zu sehr gestört?"
"Ach was, komm schon.. ich wäre dir eher böse gewesen, wenn ich in Boston erfahren hätte, dass ihr nur ein paar Meter von uns entfernt eine Wanderung unternommen habt ohne Hallos zu sagen. Also hör auch dich zu entschuldigen oder für dein Hiersein zu rechtfertigen. Es ist völlig in Ordnung. Und gestört habt ihr auch nicht. Woody und ich haben nur darüber diskutiert, ob Grillen kochen ist oder nicht... also, nichts lebenswichtige," Jordan hatte in der Zwischenzeit den Kasten geöffnet und war schon dabei für Annie ein neues Pflaster für ihre Stirn zubasteln. Das Jod für die Wunden nahm sie gleich mit heraus und stellte es Annie auf den Rand des Waschbeckens ab. "Und essen musst du auch nichts, wenn du nicht willst, aber trinken tust du doch was? Nimmst du Tabletten? Wenn nicht kann ich dir nämlich auch Wein oder Bier anbieten. Das belebt nämlich auch die Geister," sie schenkte Annie ein schräges Lächeln und schnitt etwas Klebestreifen ab. "Aber jetzt mal ehrlich, Annie... du magst ja in einem Busch gefallen sein, aber David," sie tippte sich gegen den Kiefer. "Hat da ein hässliches Ei hängen. Das bekommt man nur, wenn man gegen eine Faust gelaufen ist... ihr habt eucht nicht etwa.. du weißt schon.. wegen etwas dummen gestritten? Ich weiß die Frage ist bestimmt... blöd, aber ich bin eine Freundin, und wenn etwas los ist, dann sollst du wissen, dass du mit mir über alles reden kannst. Wie schon damals.. über Garret."
"Du meinst ich habe ... was?" Annie drehte sich lachend zu Jordan herum und schüttelte den Kopf, auch wenn sie beides gleich wieder bereute, weil es weh tat und sie schmerzhaft das Gesicht verzog, bevor sie sich auf den geschlossenen Klodeckel setzte und sich mit etwas Klopapier die Finger abtrocknete. Sie wollte Jordan nicht die Handtücher versauen. "Sehe ich so aus, als würde ich meinen Freund schlagen?", fragte sie. "Wohl kaum. Wir haben auch nicht gestritten. Wirklich nicht. Mit uns ist alles in Ordnung. Und ich weiß, dass ich mit dir reden kann und du meine Freundin bist, aber ... es ist wirklich alles in Ordnung mit David und mir." Und das war ja nicht mal wirklich gelogen. Sie hatte David noch nicht ganz verziehen und die Sache würde noch eine Weile zwischen ihnen stehen, aber trotzdem waren sie glücklich wie zuvor auch. "Und wegen des Weins ... Der Arzt hat mir Tabletten verschrieben, falls die Schmerzen zu groß werden. Sie liegen bei uns in der Hütte. Deswegen .. lieber nur einen Schluck Wasser oder Saft, falls ihr habt. Das reicht mir schon. Danke, Jordan. Für alles." Sie sah lächelnd zu ihrer 'Ärztin' hoch und hoffte sehr, dass sie das Thema fallen ließ und auch David draußen bei der Geschichte blieb. Sonst hatte sie hier nämlich wirklich ein Problem und eine Freundin weniger.
"Ja, war ja nur so ein dummer Gedanke," winkte Jordan erleichtert ab, als Annie ihr die Frage nicht krumm nahm und mit Humor noch dazu darauf reagieren konnte. "Es war eben nur... ach nichts," Jordan hob das Pflaster in die Höhe, wenn Annie schon einmal zu ihr sah und nahm in der Luft ein wenig Mass. Sie hatte das Gefühl, dass Annie nicht weiter über das Thema reden wollte. Schließlich blieb sie ihr ja eine Erklärung für Davids dickes Kinn schuldig und lenkte auch gleich ab. Das ließ tief blicken. Aber Jordan wusste auch, wenn weiterfragen nicht sehr viel brachte und schweigen besser angebracht war.
"Sicher haben wir Saft. Und ... keine Ursache, und jetzt halt mal kurz still, damit ich dir das fachmännisch anlegen kann. Noch hab ich ein paar medizinische Tricks drauf und nicht alles verlernt. Sieht hinter her wieder wie neu aus."
"Also muss ich nicht vorher sterben oder laufe Gefahr, plötzlich einen aufgeklappten Brustkorb zu haben oder einen leeren Kopf?", fragte Annie grinsend, hielt dann aber schön still und war einfach nur erleichtert, dass Jordan ihre Erklärung geschluckt hatte und auf den Themenwechsel eingegangen war. Sie war sie nämlich nicht sicher, ob sie bei der nächsten Frage noch weiter hätte lügen können oder ob sie nicht doch von Garret erzählt hätte. Sie schloss kurz die Augen und lehnte sich etwas zurück, bis ihr Rücken leicht gegen den Spülkasten drückte und sich ihr unterer Rücken so etwas entspannen konnte. Der brachte sie nämlich gerade irgendwie ziemlich um. Neben all den anderen Kleinigkeiten, die so schmerzten und zwickten.
"Aber nein, ich kann das auch noch an lebenden Opfern," sagte Jordan und grinste in den Spiegel zu Annie zurück, ehe sie sich dann darauf konzentrierte Annie vorsichtig den Pflasterverband auf die Stirn zu kleben, wobei sie so wenig Druck wie möglich ausübte, als sie das Klebeband anbrachte. "So fertig. Und wenn du möchtest, dann kann ich dir das Jod auf die Kratzer pinseln.. außer du möchtest da doch lieber selbst machen?"
Du hattest aber schon gemerkt, dass Annie sich aufs Klo gesetzt hatte, oder?
12.52 Uhr, Annie
"Ich hoffe es doch sehr", murmelte Annie und zuckte ein wenig zusammen, als Jordan das Pflaster auf die Schläfe drückte und dabei an die empfindlich entzündeten Wundränder kam. Ach, wäre sie doch nie in diese Gasse gegangen ... Dann wäre sie jetzt nicht so geschafft und sie hätten nicht anhalten müssen, sondern wären Abby suchen gegangen. Sie hätte nicht lügen müssen ... Aber so. Jetzt musste sie auch noch Jod ertragen. Das brannte doch immer so fies. "Meinst du, das Jod ist nötig?", fragte sie und besah sich ihre Hände, die jetzt zwar wieder schön sauber, aber immer noch von roten Linien überzogen waren, von denen einige schon verdächtig danach aussahen, als würden sie sich entzünden. Auch das noch. "Na ja, ich denke schon, nicht? Aber mach du das bitte. Dann kann ich dich wenigstens verfluchen, wenn es wehtut und nicht mich selber."
Ja, aber da wir uns mal wieder nicht einig sind wo Toilette, Waschbecken und SPiegel sind, wollte ich näher drauf eingehen
12.52 Uhr, Jordan
"Also du hast da zwei hässliche Kratzer im Gesicht. Da würde ich schon etwas drauftun," sagte Jordan und trat zurück ans Waschbecken um das Fläschchen zu holen. Das Annie doch zusammengezuckt war tat ihr sehr leid, sie hatte sich wirklich bemüht sanft vorzugehen. Und mit dem Jod würde es gleich nicht besser werden. "Und ich versuch ganz sanft zu sein."
Ach so. Na ja, aber wenn man auf dem Klo sitzt, sieht man normalerweise den Spiegel über dem Waschbecken nicht mehr, weil der doch ein Stück höher hängt, oder? Aber egal
12.52 Uhr, Annie
"Bei so etwas kann man nicht sanft sein, Jordan", sagte Annie lächelnd. "Genau so wenig wie beim Pflaster abziehen. Da ist schnell meistens besser. Weil dann der Schmerz auch schneller nachlässt." Sie seufzte leise und sah misstrauisch auf das Jodfläschen. Gegen die Dinger hatte sie schon immer eine tiefe Abneigung verspürt. Ihre Oma hatte sie geliebt und ihr jede Schürfwunde damit eingepinselt und ihr damit regelmäßig die Klamotten versaut, was ihren Dad dann wieder auf die Palme gebracht hatte. Und wie das erst gebrannt hatte ... Nein, wirklich nicht ihre Lieblingsmedizin. "Aber danke, dass du es versuchen willst. Bekomme ich dann nachher auch einen Lolli, wenn ich es schaffe, tapfer zu sein? Der Arzt im Krankenhaus wollte mir keinen geben. Fand ich ziemlich gemein."
Also bei uns im Bad geht das. Du kannst hochsehen und siehst die anderen noch darin. Dich selbst natürlich nicht.
12.52 Uhr, JOrdan
"Wenn du auch ein Stück Schokolade nimmst, dann kann ich dir das in Aussicht stellen. Lollis sind leider aus," sagte Jordan mit einem Grinsen und öffnete die Flasche. "Gut, dann Zähne zusammenbeißen und schnell durch," und damit gab sie Annie erst gar keine Zeit zu reagieren und tupfte den ersten tieferen Kratzer schnell ab, ehe sie sich an den zweiten machte.
Echt? Na gut, dann sage ich nichts mehr. War mir gestern auch eh nur unsicher gewesen, ob Du gelesen hattest, wo Annie saß
12.52 Uhr, Annie
"Ich liebe Schoko- ... autch!" Annie verzog das Gesicht, als Jordan so brutal plötzlich das Jod auf ihre Hat tupfte und Annie nur noch Sternchen sah. Das Zeug brannte immer noch wie Feuer. Und es stank dazu noch ganz ekelhaft ... Sie schüttelte sich leicht, biss die Zähne zusammen und zerdrückte die Klopapierkugel, die sie immer noch in einer Hand hielt, damit es dort auch wehtat und der Schmerz ihrer aufgerissenen Finger von dem in ihrem Gesicht ablenkte. Und es half sogar. Trotzdem war sie froh, als Jordan fertig war und sie wieder atmen konnte. "Jetzt tut es noch mehr weh als vorher, glaube ich", sagte sie leise und seufzte.