Garrets Blick wanderte zur Uhr, die über dem Eingang zur Notaufnahme hing. Es waren gerade 20 Sekunden vergangen, seit er das letzte Mal hochgesehen hatte. Aber was sollte er tun? Er war nervös. Renee war schon seit einer halben Stunde in Behandlung und ihn hatte man vor etwa zehn Minuten entlassen. Und er war hier derjenige, der eindeutig schlimmer aussah. Das war nichts, was ihn beruhigte.
Und natürlich hatte jeder hier sooo viel zu tun, dass man es nicht für nötig hielt ihm zu sagen, wo er Renee finden konnte. Er sollte nämlich bei ihr sein. Egal was sie vor Stunden beschlossen hatten. Nein was Renee beschlossen hatte. Er wollt das alles ja nicht. Aber er fügte sich natürlich. Weil es ihr Wunsch war. Und weil sie ihm vorgeworfen hatte, dass er nicht in der Lage war ihre Wünsche zu respektieren, würde er der letzte sein, der ihre Entscheidung in Frage stellen würde. Das änderte nichts daran, dass es im Moment um das gemeinsame Kind ging, und er sich genauso Sorgen machte, wenn nicht sogar ein bisschen mehr. Weil er das alles schon einmal durchgemacht hatte und Angst davor hatte, es wieder zu erleben. Wenn sie auf jeden Fall nicht gleich kam, würde er noch einen Versuch statten an der Theke eine Auskunft zu bekommen.
Abby war inzwischen auch schon vor einigen Minuten geflüchtet, und hatte angeboten Kaffee zu holen. RIchtigen Kaffee, wie sie betont hatte, nicht die eingefärbte Brühe aus dem Automaten, der hier in der Ecke stand. Er hatte sie nicht gerne gehen lassen. Sie war nicht besonders gesprächig gewesen und all die Dinge, die zwischen ihnen standen, vor allem, dieses Gefühl, einer unerledigten Sache, zwischen Abby und ihm, machten ihn unruhig. Und Maggie war nun mal wirklich wie sie angekündigt hatte, in einem Zustand, in dem sie sich nicht mehr um Abby in dem Mass kümmern konnte, wie sie es nötig hatte. Das hatte er inzwischen auch gemerkt. Aber was sollte schon auf dem Weg zum Kaffee passieren?
Auf jeden Fall waren sie alleine, für den Moment, und Garret sah erneut auf die Uhre, zog die Luft ein, als wieder nur ein paar Sekunden verstrichen waren und seufzte leise. Was nutzte es ihm, dass sein Kiefer nicht gebrochen war, nur eine Rippe leicht angeknackst war und er ansonsten nur heftige Prellungen davon getragen hatte, hässliche Blutergüße und Gott sei Dank nur die Platzwunde am Auge. Weh tat ihm deswegen trotzdem alles, aber er würde es überleben. Mit Schmerztabletten, Ruhe, einer Krankmeldung in der Jackentasche...
"Ist das normal," fragte er schließlich Maggie zum.. ach er hatte aufgehört zu zählen. "Gehen diese Untersuchungen so lange? Oder soll ich noch einmal nachfragen?"
"Ich weiß es nicht, Garret", sagte Maggie und konnte dabei nicht verhindern, dass sie mittlerweile wieder ziemlich genervt war. Von Garrets Fragerei, seiner Nervosität, Abbys Schweigen, ihrer eigenen Nervosität, der Warterei und diesen Dingen, die seit sie hin Maine angekommen waren, noch alle passiert waren. Aber am meisten nervte es sie, dass sie schon wieder in einem dieser gottverdammten Krankenhäuser war und warten musste. Sie hatte so sehr gehofft, dass der Besuch mit Abby am Vortag der letzte gewesen sei und ihre Phobie sie jetzt eine lange Zeit nicht mehr quälen würde. Aber sie hatte ja wieder Mutter Theresa spielen und ihre Hilfe anbieten müssen. Als sie nach der schweigsamen Fahrt angekommen war, hatte sie kurz mit dem Gedanken gespielt, anzubieten, im Wagen zu warten, aber dann hatte sie es doch gelassen und sich der allgemeinem Flucht in dieses große Gebäude, wo es nach Krankheit und Desinfektionsmitteln und Gummiboden stank, anstecken lassen. Und nun saß sie hier; ein nervöser, aber zum Glück schon versorgter Garret an ihrer Seite und eine Tochter, die die erste Chance zur Flucht ergriffen hatte um Kaffee zu holen. Maggie hoffte nur, dass Abby wirklich nur Kaffee holen ging und nicht noch etwas anderes. Oder dass sie sogar richtig flüchtete. Erneut … Um sich von dem Gedanken abzulenken, war Maggie dazu übergegangen, an einem losen Faden des Trägers ihrer Handtasche herum zu zupfen, obwohl sie wusste, dass sich dadurch nur die ganze Naht lösen würde, und sich vollkommen darauf konzentriert statt auf die vielen Mitwartenden oder Garret, mit dem sie im Moment auch nicht unbedingt reden wollte. Sie hatte keine Lust, mit ihm über Abby zu sprechen und Rede und Antwort zu stehen oder sich sogar Vorwürfe anhören zu müssen, weil sie so falsch reagiert hatte. Und gleichzeitig war sie einfach nicht in der Lage, sich um ihn zu kümmern oder sich zu erkundigen, was der Arzt bei ihm diagnostiziert hatte. Es interessierte sie und sie machte sich auch Sorgen - auch um Renee -, aber es ging einfach nicht. Sie war emotional einfach zu instabil und hatte Angst, wieder falsch zu reagieren. Aber dass sie Garret hier gerade so abfertigte, war wohl genau so falsch. Deswegen seufzte Maggie leise, wandte den Blick von dem Faden ab und sah Garret an. "Es tut mir Leid", sagte sie leiser und mit einem versöhnlichen Lächeln. "Ich bin nur … ich … ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Aber wenn du zu ihr möchtest, dann solltest du dir jemanden schnappen und dem das klarmachen."
Ja, sicher wusste es Maggie nicht.. wie die unzählige male davor auch nicht. Sie war ja nicht der Arzt. Aber eine Frau. Gut, es lag Jahre her, wo sie mit den Zwillingen zum Arzt gegangen war... Garret seufzte leise. Er hatte ja auch nur gefragt, weil er nicht wusste, wie er sich ablenken sollte. Das er Maggie damit sicher auf die Nerven ging, konnte er sich gut vorstellen. Als sie sich dann aber entschuldigte, musste er sie mit einem kleinen Lächeln ansehen und schüttelte den Kopf. "Du musst dich wirklich nicht entschuldigen. Ich geh dir auf die Nerven. Das seh ich und weiß ich auch. Ich bin nur... unruhig. Und mir jemanden schnappen funktioniert ja so herrlich in der Notaufnahme. Mir wollte vor zehn Minuten schon niemand AUskunft geben..."
"Nein, du nervt nicht, Garret", sagte Maggie schnell und seufzte. Sie ließ ihre Tasche in Ruhe und drehte sich etwas, um Garret besser ansehen zu können. "Es ist nur ... das Krankenhaus hier macht mich nervös. Wie jedes Krankenhaus und jeder Arzt und der Geruch und ... na ja, zu wissen, wie Renee dort drinnen irgendwie untersucht wird und ... es ist die Erinnerung, die mich nervös macht. Nicht nur deine Fragen oder die Ungewissheit. Einfach alles. Verstehst du? Es tut mir Leid, wenn es falsch bei dir angekommen ist." Sie griff nach seiner Hand und hielt sie einfach nur vorsichtig fest, aus Angst im wehzutun. Nicht unbedingt, um ihm Halt zu geben, sondern um sich selber ein wenig Kraft zu holen und die Erinnerungen an damals, als Garret hier wegen ihr schon mal so nervös gewesen war, zu verdrängen und das schlechte Gefühl, das sie Vorstellung ihn hier wegen einer anderen Frau dasselbe tun zu sehen, zu bekämpfen. Sie war nicht eifersüchtig oder gönnte es Renee nicht - diese Phase hatte sie hinter sich gelassen -, es war einfach nur ein komisches Gefühl.
"Oh... oh, das tut mir jetzt aber schrecklich leid, Maggie," sagte Garret mit großem Bedauern, als ihm bewußt wurde, was er da gerade angerichtet hatte. "Ich bin aber auch ein... Trottel. Ich setzte dich dem ganzen hier aus ohne auch nur ein einziges Mal nachzudenken. Das ist wie mit Abby. Ich meine sie weißt von ihrem Bruder erst seit ein par Wochen und dann erfährt sie ohne Vorbereitung von der Schwangerschaft und dann auch noch, dass es ein Junge wird und ich schleppe sie mit hier her. Und... siehst du, ohne nachzudenken. Du wusstest davon ja auch noch nichts. Das mit dem JUngen, meine ich."
"Das wusste ich schon", sagte Maggie leise. "Abby hat es mir ... sie hat es mir vorhin erzählt. Als wir auf dem Weg zu euch waren. Deswegen musst du dich nicht entschuldigen. Nicht bei mir. Und erfahren hat sie es ja durch Renee und nicht durch dich, wenn ich das richtig verstanden habe. Deswegen ... du solltest mit ihr darüber sprechen. Aber entschuldigen musst du dich dafür nicht. Es ist Renee ja rausgerutscht. Aber ich denke, Abby ist deswegen nicht sauer. Nur verunsichert und sie weiß nicht ... was sie davon denken soll. So wie du es scheinbar auch nicht weißt, oder?", fragte sie vorsichtig und sah Garret dabei an. "Ist es die Tatsache, dass du einen Sohn bekommst, die dir Probleme macht, über dieses Kind zu sprechen oder die Sache an sich?"
"Ich weiß nicht.. beides wahrscheinlich," sagte Garret und lächelte Maggie traurig an, aber auch ein bisschen froh darüber, dass sie ihn wohl noch immer sehr gut kannte und sein Problem mit der Sache ganz gut erkannt hatte. "Ich mach mir zum einenGedanken wegen Abby und... wie das alles für sie aussieht und sein muss. Und auch für dich, nachdem wir beide.. also... du weißt schon uns gegen eine zweite Chance entschieden haben. Und jetzt bekommt Renee ausgerechnet einen Jungen... das ist... merkwürdig. Und ich getraue mich nicht, mich deswegen zu freuen, weiß aber, dass ich damit Renee weh tue... Ich hab mir nie eine zweite Chance gewünscht oder es mir gewagt vorzustellen wie es sein könnte, wenn unser Junge überlebt hätte und jetzt in Abbys Alter wäre. Das ist alles irgendwie... wie ein Schock. Ich habe wahnsinnige Angst davor dieselben Fehler zu machen wie bei Abby und auch die Angst davor ihn als Ersatz für Abbys Bruder zusehen."
Maggie hörte Garret aufmerksam zu und fühlte sich am Ende nur in dem bestätigt, was sie schon vermutet hatte. Und was Renee wohl auch vermutete. Natürlich war es ein Schock und keine einfache Situation - sie wagte gar nicht erst darüber nachzudenken, wie sie sich fühlen würde, wenn sie noch einmal schwanger geworden wäre -, aber die Situation war nunmal da und man musste sich damit abfinden. "Hast du Renee das so gesagt?", fragte sie. "Warum du dich so verhältst und wovor du Angst hast? Denn du tust ihr wirklich weh und verunsicherst sie zutiefst. Sie fühlt sich allein und weiß nicht, was sie tun soll. Ich hoffe, das siehst du und weißt du auch. Und wegen Abby … sicher ist es schwer. Für sie. Aber damit muss sie lernen umzugehen. Es wird sich nicht ändern, nur weil du dich emotional von dem Jungen distanzierst. Er ist nunmal da und damit müsst ihr klarkommen. Er ist kein Problem, das verschwindet, wenn man es lange genug ignoriert. Du musst dich damit auseinandersetzen und dann musst du mit Renee darüber sprechen und auch mit Abby. Und zwar so wie du es mir gerade gesagt hast. Dass du Angst hast, ihn als Ersatz zu sehen. Dass du Angst hast, Fehler zu wiederholen und dass du nicht weißt wie Abby sich fühlt. Und was mich angeht … ich stehe da außen vor. Auf mich darfst du keine Rücksicht nehmen. Wirklich nicht. Ich würde mich für dich freuen - vorausgesetzt, du freust dich auch."
"Ich würde mich gerne freuen. Nein, ich freue mich. Ich freue mich wirklich und ich hab so viele Pläne um so vieles besser zu machen, aber diese Angst steht mir einfach im Weg. Und weißt du, selbst wenn ich keine Rücksicht auf dich nehmen muss, möchte ich das tun. Wir beide haben die besten Jahre unseres Lebens gemeinsam verbracht, eine Familie gegründet, ein Haus gekauft, ein Kind großgezogen... so etwas vergißt man nicht einfach. ICH vergesse so etwas nicht einfach. Und sicher muss Abby damit klar kommen, aber ich würde ihr gerne dabei helfen. Und dazu hätte eben gehört, dass ich es ihr, ja, irgendwie schonender beigebracht hätte," er unterbrach sich kurz, um leise zu seufzen und wieder zur Uhr zu blicken. "Aber du hast recht, ich sollte, nein ich muss Renee davon erzählen. Wobei ich ihr den Teil mit den Fehlern machen schon gestanden hatte. Danach waren wir uns zumindest einig gmeinesam dafür zu kämpfen, dass das nicht passiert. Aber das liegt schon wieder... Wochen zurück."
Maggie lächelte und nickte zustimmend, als Garret ihr versicherte, dass sie ihm nicht egal war und auch Gründe dafür nannte, die sie so unterschreiben konnte. Sie hatten zwar viele Probleme gehabt, aber dennoch ließ sich nicht bestreiten, dass sie auch viele sehr schöne Jahre zusammen hatte. Die vergaß man leider immer zu oft, weil es meist nur das Negative war, was haften blieb. Aber in den letzten Wochen hatte sie sich wirklich bemüht, diese ganzen schönen Erinnerungen auszugraben, um sich selber davon zu überzeugen, dass mit Abby nicht alles schlecht gelaufen war und dass sie nicht nur Fehler gemacht hatte. Es hatte ihr geholfen. Und scheinbar hatte Garret sich ähnliche Gedanken gemacht. "Dann redet noch einmal darüber", sagte Maggie. "Wieder und wieder. Bis es kein Problem mehr zwischen euch darstellt und ihr eine Lösung gefunden habt. Einmal reden reicht nicht. Nicht solange das noch nicht zum Ziel geführt hat. Das weißt du doch. Das ist wie bei deinen Leichen. Wenn die erste Autopsie nicht bei der Lösung des Falls hilft, dann schaust du dir die Leiche wieder und wieder an. Bis du noch etwas findest, was dann letztlich der Schlüssel war. Mach das hier in dem Fall auch. Und rede auch mit Abby. Sag ihr, was du mir immer sagst. Damit sie auch weiß, dass du es gerne anders gehabt hättest. Ich bin sicher, sie ahnt es schon, aber es von dir zu hören, ist besser."
"Oh, also mit meinen Autopsien wollte ich das jetzt nicht unbedingt gleichstellen," sagte Garret mit einem kleinen Grinsen, nickte dann aber. "Aber ich hab dich schon verstanden, Maggie. Und ich weiß das ja. Man lernt ja aus Fehlern. Es ist nur alles so schrecklich kompliziert geworden. REnee und ich haben so vieles falsch gemacht, ich habe so vieles falsch gemacht, dass Reden nicht mehr alleine hilft. Aber bei Abby könnte es noch etwas bewirken. Wobei seit heute auch einiges anders ist und läuft."
"Ich wollte den Vergleich mit den Autopsien auch nicht anstellen", sagte Maggie. "Nur … dir zeigen, dass du durchaus hartnäckig sein kannst und dasselbe mehrmals tust, wenn es sein muss. Egal wie schwierig und aussichtslos es erscheint. Und das gilt für dich und Renee und auch für Abby und dich. Ich weiß nicht genau, was da heute passiert ist, aber ich weiß, dass ihr die Sache nicht so stehenlassen dürft. Wie ich dir eben schon gesagt habe: Sie war ehrlich, weil ich es ihr geraten habe. Und ich habe das Gefühl, dass sie dir nicht alles hat sagen können. Du solltest ihr da noch eine Chance geben, sich zu erklären. Und Renee … Renee macht gerade etwas absolut Richtiges - für dich. Sie gibt dir ein großes Geschenk und du … ich glaube, du merkst es nicht mal und kannst ihr deswegen auch keine Dankbarkeit zeigen. Die hat sie aber verdient. Also denk mal … denk mal darüber nach und zeig es ihr. Zumindest ein bisschen." Fast hätte Maggie ja über ihre eigenen Worte und sich selber lachen können; jetzt tat sie ja nämlich doch wieder das, was sie nicht wollte: Sie half, sie kümmerte sich, sie hörte zu und gab Rat. Und sie mischte sich damit ein. Und das Schlimmste war, dass sie Garret half. Bei Renee und bei Abby. Und Abby hatte sie diese Hilfe vorenthalten oder nicht in dem Maße gegeben, wie sie es gebraucht hätte. Und das war absolut nicht mehr zum Lachen, sondern stimmte Maggie richtig traurig. Sie machte eben doch immer alles falsch - auch wenn ein paar richtige Dinge dabei waren, überwogen die falschen letztlich doch ...
"Du meinst, mit mir Schluß zu machen, damit ich mehr Zeit für Abby und das Institut habe, wäre ein Geschenk? Hm.. vielleicht, oder ja, doch, doch ich hab das schon richtig verstanden, und ich würde es auch gerne entsprechend würdigen, wenn es sich nicht so anfühlen würde, als hätte Renee mir damit ein Messer ins Herz gesteckt. Auch wenn sie betont es wäre nur eine Pause. Aber leider hat uns die letzte Pause erst in dieses Schlamassel gebracht, in dem wir gerade stecken. Ich sehe das nicht so... positiv. Und was Abby angeht... da geht es mir doch im Grunde wie dir: ich kann und mag einfach nicht mehr, ich habe keine Geduld mehr übrig, keine Kraft und die Frage ob ich alles richtig oder falsch mache, stelle ich mir erst gar nicht mehr, weil in ihren Augen doch sowieso alles falsch ist, was ich tue. Vielleicht hast du aber auch recht, und ich sollte es weiterhin hartnäckig versuchen, bis ich sie knacke oder einsehen muss, dass es nichts bringt. Aber ehrlich gesagt, sehe ich da für sie und mich keine so große Zukunft mehr. Sie hat mir genau wie Renee das Herz herausgerissen, ist darauf herumgetrampelt und denkt mit einem weiteren GEspräch alles wieder ausbügeln zu können. Du hast zwar recht, Ehrlichkeit ist manchmal besser und vielleicht war es auch gut, dass mir Abby klipp und klar gesagt hat, wie sie gefühlsmässig zu mir steht, so weiß ich wenigstens wo mein Platz ganz hinten in ihrem Leben ist ohne mir ständig etwas vorzumachen, aber ich sehe leider auch nicht, was sie mir da noch zu sagen hätte, um die Sache so zu klären, dass ich nicht enttäuscht und gekränkt sein muss...und...", Garret wurde unterbrochen, als Abby hinter ihrer Sitzreihe auftauchte, den Karton mit drei Bechern Kaffee und einer Tüte Donuts auf den Tisch schob und ziemlich blaß um die Nase herum sich wortlos aufrichtete und sie beiden enttäuscht ansah. Garret musste kurz hart schlucken und versuchte sich nicht vorzustellen wie viel Abby von dem Gespräch mitangehört hatte. Das sie die ganze Zeit nur ein paar Schritte hinter ihnen gestanden hatte, hatte er nicht mitbekommen und Abby wünschte sich gerade, sie hätte ein paar Minuten länger in der Schlage stehen müssen, stattdessen hatte sie eine nette, alte Dame vorgelassen, weil sie glaubte Abby müsste so ganz ohne Jacke in der warmen Frühlingssonne frieren. Okay, die Briese war frisch gewesen, aber die hätte sie gerne ausgehalten, anstatt sich mitanhören zu müssen, wie ihre Mutter sich ,wenn es um Garret ging, bereitwillig auf eine Seite ziehen ließ, zuhörte und Ratschläge erteilte... und half. Und wie die beiden über das redeten, was passiert war. Sie hatte nicht darüber reden dürfen.. weil es unfair gewesen wäre. Sie hatte sich zumindest dran gehalten. Und das ihr Dad sich so bereitwillig als Opfer sah.. ganz großartig. Er hatte doch selbst dafür gesorgt, dass sie emotional distanziert zu ihm war. Sie war ehrlich gewesen und hatte nur die Wahrheit gesagt, dass sich daran in den letzten Wochen sehr vieles geändert hat, dass hatte er ja gar nicht hören wollen. Und wollte es offenbar auch gar nicht.
"Toll. Prima. Großartig. Ihm hilfst du also? Mir nicht...," sagte Abby als sie einen k urzen Moment mit Tränen der Enttäuschung erfolgreich gekämpft hatte. "Schön... macht weiter. Lasst euch nicht von mir stören. Erteil Dad ruhig Ratschläge und hör dir seine Version der Geschichte an. Ich... ich geh frische Luft schnappen." Und damit war sie auch schon wieder auf dem besten Weg das Wartezimmer zu verlassen. Garret sah zwar kurz verzweifelt zu Maggie und unternahm einen Versuch Abby zurückzuhalten, aber als er gerade mit einem bittenden "Abby", das er ziemlich durch die Zähne presste, um nicht das ganze Wartezimmer auf sie aufmerksam zu machen aufstand, rief jemand von der Theke aus seinen Namen und er war hin und hergerissen zwischen Abby nachgehen und sich um seine Angelegenheiten kümmern. Als die Krankenschwester dann jedoch noch erwähnte, dass Renee ihn sehen wollte, war er mit der Situation gänzlich überfordert und er stand unschlüssig in mitten hustender, stöhnender Patienten und ihren Angehörigen und wusste zum ersten Mal nicht, wie er sich entscheiden sollte. In den letzten Wochen war es so einfach für ihn gewesen Renee unter den Tisch fallen zu lassne, um isch um Abby zu kümmern, aber jetzt.. jetzt war alles irgendwie anders und komplizierter geworden.
"Geh zu Renee", sagte Maggie nur, als Garret so unschlüssig dastand und für sie ganz unverständlich mit sich rang, wo er hingehen sollte. "Sie braucht dich. Bei Abby beißt du nur auf Granit. Geh. Ich ... schaue, was ich hier tun kann." Maggie lächelte Garret aufmunternd an, machte aber keinerlei Anstalten, aufzustehen und Abby nachzulaufen. Sie konnte zwar verstehen, dass Abby enttäuscht war und sich benachteiligt fühlte, aber wenn sie lieber bloße Anschuldigungen in den Raum stellte und dann abhaute, bevor man eine Chance bekam, sich zu erklären, dann war das ihr Problem, und Maggie sah nicht ein, ihr nachzulaufen und ihr zu erklären, dass sie im Grunde nichts anderes gemacht hatte, als das, was sie mit Abby vorhin auch schon gemacht hatte: Sie hatte ihr ebenfalls geraten, in die Hütte zu gehen und mit Garret zu reden, ihn notfalls zu zwingen, zuzuhören. Und was anderes war gerade auch nicht geschehen. Sie hatte Garret geraten, mit Abby zu sprechen. Okay, und zusätzlich mit Renee, aber das war ja wieder eine ganz andere Sache. Denn Renee hatte eben ihren Rat gewollt in Bezug auf Garret, und sie gab ihm jetzt denselben. Wieder ein Ausgleich, für den sie sich weder rechtfertigen musste, noch ein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Und alles andere ... Garret aufzumuntern und ihm zu versichern, dass sie ihn verstand, fiel sowieso flach. Weil Abby aufgetaucht war und weil Renee nach Garret rufen ließ. Also hatte sie niemanden bevorzugt oder benachteiligt. Und keiner hatte das Recht, ihr etwas anderes einzureden. Und genau deswegen würde sie jetzt hier sitzenbleiben und abwarten. Mehr nicht.
Garret sah Maggie kurz zweifelnd an. Er wusste genauso gut wie Maggie auch, dass sie hier gar nichts tun konnte. Sie und Abby waren einfach in letzter Zeit wie Feuer und Eis. Aber das er auch nichts richten konnte, war ihm bewußt. Darum nickte er schließlich und sah zu der Krankenschwester, die abwartend in seine RIchtung blickte, um ihr ein kurzes Handzeichen zu geben. "Okay... du hast Recht... am besten... am besten lässt du Abby einfach in Ruhe, bis sie sich beruhigt hat und von selbst kommt. Falls sie kommt?", fügte er unsicher hinzu und sah in die Richtung in die Abby entschwunden war. Weit war sie nicht gekommen, wenn er das richtig sah. Aber bei Abby wusste man ja in letzter Zeit nie.
Abby hatte sich nicht aufhalten lassen, auch wenn sie das Rufen ihres Vater vernommen hatte. Sieb rauchte frische Luft. Bevor sie noch ganz andere Dinge sagte. Sie lief nicht weg, weil sie beleidigt war, gut sie war enttäuscht, aber hauptsächlich lief sie ins Frei, um einen klaren KOpf zu bekommen und um sich zu beruhigen.
Sie machte auch nur ein paar Schritte weg vom Eingang, um niemanden im Weg zu stehen, und starrte vor sich auf die Zufahrt des Krankenhauses, holte ein paar Mal Luft und ließ die leise Stimme zu, die ihr zuflüsterte, dass sie eben völlig überreagiert hatte. Aber was hätte sie anders tun sollen? Sie musste mitanhören, wie ihr Dad ebenfalls die Flinte ins Korn geworfen hatte und dazu auch noch ungebremst hatte andeuten können, was sie ihm angetan hatte. Jetzt wusste ihre Mutter ansatzweise was passiert war, aber nur wieder aus seiner Sicht. Am besten blieb sie hier draußen, bis sie zurückfahren konnten. Drinnen würde sie sowieso niemand vermissen....