"Oh ganz bestimmt," sagte David mit einem leisen Lachen, als er durch die Tür ging und sich gleich nach Renee umsah, die aber noch immer in ihrem Sessel artig saß und sich auszuruhen schien. Allerdings richtete sie sich gleich etwas im Sessel auf, um den beiden besorgt entgegenzusehen. Das sie ohne Abby kamen konnte sie schließlich sehen. Und ihre Sorgen galten gleich ganz anderen Problemen, als ein eingeschnappter Garret. "Und das mit meinen Sorgen verrätst du aber keinem," fügte er ebenfalls leise hinzu und versuchte es dann mit einem Lächeln, um Renee ein bisschen die Anspannung zunehmen.
"Ihr habt sie nicht gefunden, oder?", musste Renee auch gleich fragen und sah die beiden mit einem tiefen Seufzen an. "Gab es... gab es irgendwelche Anzeichen von... von einem Kampf? Oder ist sie euch nur davon gelaufen?"
"Versprochen", sagte Annie und drückte Davids Hand kurz, als kleine Aufmunterung. Sie wollte nicht zu fröhlich aussehen oder gar Lächeln, wenn sie jetzt Renee entgegentraten und doch eigentlich schlechte Nachrichten überbringen mussten. Doch scheinbar war das gar nicht nötig, weil Renee trotz ihres Zustands immer noch einen messerscharfen Verstand hatte und genau richtig kombinierte. Als sie dann aber gleich vom Schlimmsten ausging und Annie sie deswegen gut verstehen konnte, schüttelte Annie den Kopf und brachte doch so etwas wie ein Lächeln zustande. "Es sieht nicht so aus, als hätte es einen Kampf oder eine Entführung gegeben", sagte sie. "Obwohl das auch mein erster Gedanke war, aber ... David ist ein Stück gegangen und da war auch nichts. Sie ist wahrscheinlich nur spazieren gegangen, weil wir ... sie ignoriert haben."
(also Garret müsste eigentlich ziemlich nuscheln mit seinem Kiefer)
12.13 Uhr, Renee, David, Garret
"Und wir hätten auch bestimmt etwas gehört. Die Tür stand doch offen. Sie hätte geschrien, wir hätten einen Wagen hören müssen," gab David zu bedenken. "Ich glaube auch, dass sie einfach ein wenig beleidigt ist..."
"Was recht dumm und egoistisch wäre," sagte Renee mit einem Stöhnen. "Ja gut, wir waren nicht gerade besonders bemüht um sie, aber weglaufen und uns damit nur noch mehr Kummer machen? Sieht ihr das ähnlich? Ich meine der Abby, die wir die ganze Zeit bei uns hatten? Wobei sie war die ganze Fahrt über schon so schweigsam," dachte Renee laut nach und sah zum Fenster. "Wie erkläre ich das jetzt Garret? Oder noch besser... wer ruft für uns seine Ex-Frau an?", sie lächelte die beiden ziemlich säuerlich an und schüttelte den Kopf. Hörte das nie auf? Musste der Tag von einer Katastrophe zum Weltuntergang werden?
"Uhm.. Renee, ich hab mir etwas überlegt," Garret war vom Schlafzimmer direkt in den Raum getreten und als er Renee auf dem Sessel sitzen sah, ging er einfach zum Angriff über. Das war es doch was sie wollte? Direktheit, Mut, einen Mann der wußte was er wollte und der vor allem Mann genug für sie war. Und das war er ja doch einmal gewesen. Er konnte es noch immer sein... Darum nahm er auch wirklich allen Mut zusammen, umgriff die Schachtel etwas fester und sagte: "Wegen uns. Wir müssen ...," er stoppte sofort wieder, als er sah, dass Annie und David noch immer da waren und sie ziemlich betretene Gesichter machten. Er schnappte gerade noch etwas von anrufen und Ex-Frau auf und hatte auf einmal gar kein so gutes Gefühl mehr. So viel zu seinem Plan ein ganzer Mann zu sein. "Was ist mit Maggie?"
Annie wollte gerade ein "Oh, ich bestimmt nicht" los werden, nachdem sie Renee erst einmal verstehend und mitfühlend angelächelt hatte, doch als Garret dann plötzlich im Raum stand und er sie wohl gar nicht gesehen hatte, sondern anderes im Sinn hatte, was ihre Anwesenheit wohl nicht benötigte oder wollte, verkniff Annie sich den Kommentar und sah nur kurz von David zu Renee, wartete einen Moment und seufzte dann. "Mit Maggie ist alles in Ordnung", sagte sie. "Das ... ähm ... denke ich zumindest. Es geht eher um ... Abby?" Annie verzog unsicher das Gesicht zu einem gequälten Lächeln, was aber eher in einer Grimasse endete und seufzte dann. "Sie ist weg. Vermutlich weggelaufen oder ... ja, weggelaufen." Von Entführung wollte sie jetzt nicht unbedingt sprechen. Garret sah so schon schlimm und schwach genug aus, dass sie Angst hatte, der nächste Windzug, der durch die Tür kam, würde ihn umwerfen.
Renee fuhr so weit es ihre Schmerzen zu ließen herum und sah Garret verwundert an. Wann war er denn aufgetaucht? Und wie viel hatte er gehört?
"Abby ist weg.. wie, wie konnte das passieren?", überrascht sah Garret zwischen allen hin und her, ehe sich ein wenig Panik in ihm breit machte. Abby war weg. Hier.. in Maine... alleine... "Sie ist weg? Weggelaufen? Seid ihr euch sicher?"
"Nein," sagte Renee knallhart und fand es besser Garret wusste gleich bescheid. "Sie ist nicht mit uns reingekommen. Falls dir das vorhin aufgefallen ist bevor du ins Schlafzimmer schmollen gegangen bist. Und ehe David so nett war und nachsehen ging, hat sich Abby möglicherweise aus dem Staub gemacht. Aber das wissen wir nicht mit Sicherheit. Und bevor du gleich ausflippst oder in Panik gerädst... wir können suchen gehen, warten... und dann immer noch in Panik ausbrechen."
Annie war trotz dass sie Renee so schon kannte, überrascht wie unsensibel, offen und ehrlich sie Garrets Frage beantwortete und wie wenig Einfühlungsvermögen sie doch besaß. Aber in dem Fall war es sicher kein grobes Verhalten, sondern das einzig richtige, um gleich eine Panik zu vermeiden. Deswegen war sie froh darum, dass Renee geantwortet hatte und nicht sie. Mit ihrer vorsichtige, ruhigen Art hätte sie sicher gleich für Unruhe gesorgt. Trotzdem konnte sie sich nicht heraushalten und musste mit Renee ein wenig "Gute Freundin, Böse Freundin" spielen. Für alles andere war Garret nicht in der Verfassung.
"Ich denke, wir ... wir sollten ganz ruhig bleiben und nachdenken, bevor wir kopflos losrennen oder gar Maggie anrufen", sagte sie. "Noch wissen wir gar nichts und was bringt es, wenn wir Maggie unnötig aufregen, wo Abby vielleicht wirklich nur ein paar Schritte gegangen ist, weil sie sich ausgeschlossen fühlte. Und mal ganz ehrlich ... wir sind alle Schuld daran. Niemand hat auf sie geachtet und wir waren nur mit uns selber oder mit uns gegenseitig beschäftigt. Dass Abby nicht da war, haben wir eben erst gemerkt, als wir schon lange hier waren. Deswegen ... keine Schuldzuweisungen oder Vorwürfe an andere. Wir sitzen hier ausnahmsweise mal alle in einem Boot und sollten in eine Richtung rudern. Okay?" Sie sah fragend von einem zu anderen, bis ihr Blick schließlich wieder bei Garret angekommen war.
Garret stand ein wenig wie vom Blitz getroffen da und sah REnee sprachlos an, ehe er zu Annie und dann zu David sah. In der Hoffnung, dass einer der beiden die Sache als schlechten Witz aufklären würde. Aber das tat leider keiner. Im Gegenteil.
"Ja.. sicher. Ich wollte ja nicht .. nicht sagen, dass ihr hättet aufpassen müssen. Das war... ich hätte das tun sollen," Garret trat zu den dreien und ließ die Schmuckschachtel wieder in seine Hosentasche verschwinden. Wieso hätte es dieses Mal funktionieren sollen? Es sollte wohl wirklich nicht sein. "Also... warten wir wohl? Wir warten," er sah zu REnee, die langsam nickte. "Ihr geht euren Ausflug machen. Und wenn Abby bis heute Abend nicht wieder auftaucht, rufen wir die Polizei. Vorher tut ihr ja sowieso nichts," sagte Garret mit einem Seufzen, aber ohne Vorwurf. "Also brauchen wir uns weder verrückt machen, noch anrufen. Oder ... oder würde es helfen, wenn wir von.. den Drohungen erzählen?" Daran wollte er jetzt nicht einmal denken müssen, aber Abby lief doch nicht .. doch sie lief einfach weg. So wie er. Und wenn dem so war. dann würde er mehr als erleichtert sein. Wütend vielleicht und auch enttäuscht, weil Abby es doch besser wissen müsste, aber erleichtert, weil es dsa kleinere Übel an der Geschichte war.
"Ich würde auf jeden Fall von den Drohungen erzählen", sagte Annie und war erst einmal erleichtert, dass die Sache ruhiger verlief, als sie erwartet hatte. Und sie hatten hier die Chance, zu gehen. Nur wollten sie das? Wollte sie das? Würde sie mit dem Wissen, dass Abby verschwunden und vielleicht in Gefahr war, den Urlaub genießen können? Sicher kaum. Aber andererseits ... ob sie nun hier zu viert warteten oder nur die beiden, das brachte Abby auch nicht schneller wieder. Und es war sicher wirklich besser, wenn die beiden alleine blieben und redeten. Garret hatte ja offenbar schon einen Anfang machen wollen und Renee zustimmte, mit Garret zu warten, dann war noch Hoffnung da. Viel Hoffnung. Mehr als noch vor wenigen Minuten ... "Ich würde ... also ... an eurer Stelle würde ich aber nicht so lange warten. Gebt Abby ein, vielleicht zwei Stunden und ruft dann Hilfe. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber wir wissen beide, wie entscheidend die ersten Stunden nach einer Entführung sind und wie schnell die Spur kalt wird, je länger man wartet. Deswegen ... wartet nicht zu lange. Okay? Versucht für kurze Zeit davon auszugehen, dass sie nur allein sein wollte. Aber danach sollten wir von Schlimmerem ausgehen. Gerade mit den Drohungen im Hinterkopf. Denkst du nicht auch, Renee? Das hier ist nicht dein Bezirk, aber ich denke, wenn du deinen Namen und Dienstgrad beiläufig fallen lässt, wird jeder Cop hier in der Gegend springen."
Sie sollten gehen? David sah fragend zu Annie, die auf Garrets gebotene Möglichkeit zu verschwinden wohl ähnlich unsicher war. Sie konnten nicht gehen... oder doch? Sie hatten dafür gesorgt, dass ein Arzt kam, sie würden losgehen und nach Abby suchen.. wenn sie schon zum See wollten, konnten sie auch nach Abby schauen... ja, das war sogar eine ganz gute IDee und ein super Kompromiß um mit guten Gewissen loszugehen.
"Oh, ich werde etwas viel besseres tun. Ich warte höchstens eine Stunde und dann rufe ich persönlich Chris Bowen an. Der Bezirksstaatsanwalt ist mir noch das eine oder andere schuldig und kann sicher alles veranlassen, was nötig ist und mir dabei hier leider die Hände gebunden sind." Und daran hätte sie eigentlich gleich denken sollen...
"Das ist... eine gute Idee", nickte Garret, unsicher, was er von Renees Vorhaben halten sollte. Er nutzte eigentlich nicht sogerne die Gefallen anderer aus.. aber hier ging es um Abby. Er wischte die Einwände zur Seite und versuchte tapfer zu lächeln. "Und wahrscheinlich völlig unnötig, weil Abby jeden Moment zurückkommt und sicher über unsere Sorgen lachen kann."
"Na, um so besser", sagte Annie begeistert und mit einem viel besserem Gewissen gehen zu können. "Ich denke, wenn das kein guter Zeitpunkt ist, den Gefallen einzufordern, dann weiß ich es auch nicht. Und du, Garret, solltest das Angebot annehmen", fügte sie mahnend hinzu. "Hier geht es nicht um Stolz oder ein gekränktes Ego, sondern alleine um Abby. Um deine Tochter. Egal ob unnütz oder nicht. Wir haben die Option und das zählt. Also sei froh, dass Renee bereit ist, einen Anruf zu tätigen und bedank dich bei ihr und ... Apropos Anruf. Hast du den Arzt erreicht, Renee?" Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht, weil wieder Abby in den Vordergrund gerückt war und Renee erneut zurückstehen musste, was Annie unheimlich Leid tat. Deswegen hatte sie auch keine Probleme damit, nachzufragen - ob Garret nun dabei war oder nicht. Der Arzt kam wenn erstmal für Renee und das war wichtig. Denn sie wollte die Hilfe. Wenn Garret lieber verzichtete, dann war das seine Sache und nicht der Problem vom Renee.
Garret sah ein bisschen verwundert zu Annie. Hatte er schon wieder etwas falsches gesagt? Er nahm die Hilfe doch an? Widerwillig, aber er tat es. Eben wegen Abby. Und wie er sich bei Renee bedankte war ja noch immer seine Sache. Aber dann nickte er zustimmend. Streiten wollte er heute nicht mehr. Als Annie dann aber nach 'dem' Arzt fragte sah er etwas überrascht zu Renee und er zog die Brauen zusammen.
"Einen Arzt? Ich dachte ich wäre deutlich gewesen... ich will keinen Arzt."
"Aber ich will einen," sagte Renee bestimmt und sah mit einem ziemlich enttäuschten Kopfschütteln von Garret weg zu Annie. "Ich hab ihn erreicht. In einer Stunde will er hier sein. Zeit genug für den Sturrkopf es sich noch anders zu überlegen," sie sah mit einem etwas schärferen Blick zu Garret, der sich noch immer fragte, wieso Renee einen Arzt wollte. "Aber wenn der Arzt dich sieht Garret, brauchst du dir gar keine Sorgen über eine Entscheidung zu machen. Die fällt er für dich alleine."
"Ist den mit dem Baby alles in Ordnung," Garret hatte gar nicht so richtig zugehört und Renees SPitze dabei völlig überhört, als ihm der einzige Grund einfiel, wieso Renee einen Arzt brauchte.
Ups Nein, es ging um den Anruf, nicht um die unnütze Tochter
12.13 Uhr, Annie
Oh, schön, dass du da auch mal fragst, dachte Annie und seufzte leise auf, als die beiden dann wieder da weitermachten, wo sie im Wagen aufgehört hatten: Sie beschossen sich gegenseitig mit Giftpfeilen und warfen sich gegenseitig die Bälle zu ... Vielleicht war es dann doch an der Zeit, dass sie gingen. Wenn der Arzt unterwegs war und wenn Renee fest vorhatte, diesen Staatsanwalt anzurufen, wenn Abby nicht binnen einer Stunde zurück war. Mehr konnten sie doch hier nicht. "Sollen wir ... gehen?", fragte sie David leise und sah ihn dabei fast flehend an. Zu gehen konnte nur gut sein: Die beiden hatten ihre Ruhe. Sie konnten aufhören zu streiten und reden. Und Garret würde David keine Gründe mehr liefern, ihn noch einmal zu schlagen bzw. - weil sie davon ausging, dass David das nicht mehr tun würde -, keine Gründe mehr, seine Selbstbeherrschung auf die Probe zu stellen.
"Oh, dem Baby geht es gut," sagte Renee frustriert und sah Garret enttäuscht an, der sichtlich verlegen dastand und sich bewußt wurde, dass es um Renee ging, der es nicht gut ging. Und wenn sie schon einen Arzt gerufen hatte.. freiwillig...
"Ja von mir aus können wir," sagte David ließ aber Renee und Garret dabei nicht aus den Augen. "Wenn ihr beide klar kommt, würden Annie und ich mal zum See weitergehen und schauen unterwegs natürlich nach Abby, okay?"
Froh über Davids Ablenkung sah Garret von Renee zu den beiden und nickte. "Das wäre nett von euch. Und sicher.. wir kommen klar," er sah fragend zu Renee, die erneut nur nickte und sich jedes weitere Wort ersparte. Die nächste Stunde bis zum Arzt konnte ein sehr langwiriger und schmerzhafter Prozeß werden... falls sie miteinander reden würden. Falls.
Nein, ich hatte da noch was nachträglich eingesetzt, was den Sinn wohl verfälscht hat
12.13 Uhr, Annie
Annie wäre zwar lieber zurück zu ihrer Hütte gegangen und hätte eine Tablette genommen und sich dann hingelegt, aber trotzdem nickte sie bei Davids Vorschlag. Sie wusste genau, dass sie eh keine Ruhe finden würde, bis sie wussten, was mit Abby war, und deswegen war es wohl das Beste, wenn sie erst bis zum See gingen und auf dem Rückweg in der anderen Richtung nach Abby Ausschau hielten. Sie würde den Weg schon schaffen. Nachdem, was sie in den letzten Stunden schon bewerkstelligt hatte, würde diese Wanderung wohl reinste Erholung sein. Hoffe sie zumindest ... "Dann ... haben wir einen Plan?", fragte sie und sah David an, wandte sich dann aber nochmal an Renee und Garret. "Wir kommen auf dem Rückweg sicher wieder hier vorbei, dann ... also ich würde schon gerne nochmal anklopfen, um zu fragen, was der Arzt gesagt hat. Wenn das okay für euch wäre."
"Ja, haben wir," nickte David, der froh war, dass auch Renee und Garret damit kein Problem hatten.
"Sicher. Nicht nur wegen dem Arzt. Ihr müsst uns auf jeden Fall bescheid geben, ob ihr Abby gesehen habt oder nicht," sagte Garret müde und erschöpft von dem ganzen Tag und schleppte sich zu dem Sofa, wo er langsam Platz darauf nahm. Und natürlich tat ihm wieder jeder einzelner Knochen weh. Aber er verzog kaum das Gesicht. Was auch schon alleine wegen seines geschwollenen Kiefers nicht ging.