"Trotzdem tut es mir Leid für dich. Für euch", sagte Maggie. Sie nahm schnell noch den Kaffee und die Tüte Donuts hoch und folgte Abby dann zu Garret und Renee, die beide so aussahen, als wären sie jetzt lieber ganz woanders. Verstehen konnte Maggie es absolut, denn ihre kurze Entspannungsphase hatte nach Abbys Rückkehr nicht mehr lange angehalten und die Realität war brutal wieder da. "Sehen wir erstmal zu, dass wir nach Hause kommen. Und dann solltet ihr euch alle ein bisschen Ruhe gönnen. Danach sieht die Welt sicher wieder anders aus. Oder ihr könnt zumindest klarer denken, ohne dass die Schmerzen oder die Anstrengung euch die Sinne vernebeln.
"Ach ja, ist nicht so schlimm.. ich hab einfach eine schlechtes handling fürs Timing," sagte Abby schnell, ehe sie die beiden erreicht hatten und ihre Mutter versuchte beruhigende Worte zu finden. "Ja, vielleicht hilft Ruhe ein bisschen. Wenn man nicht auf einem Sofa liegen muss, das unter einem sich anfühlt wie Stein."
Oh, und darüber ich das letzte Wort noch nicht gesprochen, dachte Maggie, als Abby das Sofa erwähnte und sie damit daran erinnerte, was sie Garret noch in Bezug darauf sagen wollte. Aber nicht jetzt. Später. Jetzt sollten sie erst einmal hier rauskommen. "Alles in Ordnung?", fragte sie, nachdem sie Abby erst zunickt hatte, als Zeichen, dass sie verstanden hatte, und sah bei ihrer Frage von Garret zu Renee und wieder zu Garret zurück. "Mit euch dreien?"
"Sicher. Alles in Ordnung. Soweit und den Umständen entsprechend," sagte Garret wahrheitsgetreu und versuchte tapfer dabei zu lächeln soweit es sein Kiefer eben zu ließ. "Wenn man von den ganzen blöden Blicken und Bemerkungen der ärtze und Schwestern einmal absieht," fügte er seufzend hinzu. "Wenn ihr aber wollt, können wir los. Mich halten keine 10 Pferde mehr hier."
"Aber wir brauchen noch einen Drugstore," gab REnee vorsichtig zu bedenken. Sie fühlte sich noch immer nicht ganz wohl mit Maggies Hilfsbereitschaft und sie jetzt auch noch auf die Suche nach einer Apotheke zu schicken, war ihr mehr als unangeneh. "Garret und ich haben beide REzepte und ich glaube Garret würde es ohne das Schmerzmittel auch gar nicht aushalten."
Maggie war froh, dass es den beiden zumindest den Umständen entsprechend gut ging und sie genau so schnell verschwinden wollten wie sie. Deswegen lächelte sie und deutete mit einem Kopfnicken Richtung Ausgang. "Na, dann gehen wir doch einfach einen Drugstore suchen", schlug sie vor. "Wären wir in Boston, wüsste ich, dass wir einen neben dem Haupteingang finden, aber hier ... Hat jemand einen auf dem Weg gesehen?" Abgelenkt von tiefgreifenden Gesprächen war ja niemand von ihnen gewesen, aber da Maggie wusste, dass auch Gedanken gut ablenken konnten, bedeutete das wohl gar nichts.
"Nein, ich habe aber ehrlich gesagt auch gar nicht darauf geachtet," gestand Garret und ließ den Damen den Vortritt ehe er ihnen nach draußen folgte.
"Aber ich," sagte Abby und fügte schnell hinzu als ihr klar wurde wie das klingen musste: "Nicht wegen mir! Ich dachte mir schon, dass wir eine Apotheke brauchen. Wegen euch. Am Ortsausgang war so ein kleiner Supermarkt und da hing auch ein Drugstore-Schild. Wenn das reichen würde?"
"Klar, warum sollte das nicht helfen?", fragte Maggie lächelnd und kämpfte erfolgreich gegen das dumpfe Gefühl an, dass Abby wegen ihrer Sucht doch ganz instinktiv auf solche Dinge achtete. Und dass sie das noch extra verneinen und damit hervorheben musste, sprach eigentlich auch dafür. Aber Maggie hatte keine Lust auf eine neue Runde Streit und beschloss, es mal so zu machen wie Garret: Die Sache zur Kenntnis nehmen, aber nichts weiter tun. Gefallen tat es ihr zwar nicht, aber Streit gefiel ihr noch weniger.
"Ich weiß nicht, sie haben vielleicht nur eine kleine Auswahl oder nicht alles da und wir müssen doch eine größere suchen oder... ich weiß nicht... ," brach Abby ab. Sie wusste nämlich noch immer nicht in wie weit ihre Hilfe überhaupt erwünscht war. In Bezug auf ihren Vater. Renee hatte zumindest mit einem Lächeln zustimmend genickt und ihre Mutter brauchte keine Umwege zu fahren.
"Sie wird schon irgendetwas da haben, was wir brauchen," sagte Garret und zog erst einmal draußen angekommen die Luft in vollen Zügen ein. Krankenhäuser waren viel zu stickig und er zumindest bekam immer furchtbare KOpfschmerzen davon. Ein Witz eigentlich, wenn er daran dachte, dass er tatsächlich mal in Krankenhäusern gearbeitet hatte, bevor er sich für die Gerichtsmedizin entschieden hatte. Wo die Luft noch viel schlimmer war.
"Wir probieren es einfach. Und vielleicht kannst du Abby, ja in der Zwischenzeit in dem Supermarkt ein bisschen einkaufen gehen? Damit wir das passende für die Hütte da haben, falls wir heute Abend noch... dieses BBQ wollen?" Garret holte ein bisschen auf und sah fragend seine Tochter an. Er war sich noch immer nicht sicher darüber, wie er weiterhin mit ihr umgehen wollte. Vielleicht war die Bitte schon zu viel für sie, vielleicht erweckte er aber auch Hoffnungen, dass sie miteinander noch reden konnten, obwohl er sich darüber auch noch nicht sicher war. Egal was er Maggie und Renee eben noch versprochen hatte.
"Ja klar, kein Problem," nickte Abby überrascht, dass Garret sie direkt angesprochen hatte. "Kann ich machen."
"Und vielleicht... ich weiß nicht," Renee sah kurz fragen zu Maggie, dann zu Garret, um ihn etwas zu zunicken, ehe sie wieder zu Maggie sah. "Vielleicht möchten Sie heute Abend auch gerne dazustoßen? Als kleines Dankeschön an das Fuhrunternehmen Macy?"
Maggie hatte innerlich schwer mit sich kämpfen müssen, als erst Abby und dann Garret auf das dünne Eis stiegen und versuchte, irgendwie heil auf die andere Seite zu kommen, ohne dass jemand einbrach und der andere die Schuld tragen musste. Aber wenigstens schafften sie es und Garrets Bitte an Abby war unter den gegebenen Umständen ein großer Vorschlag, der sie gleich wieder ein bisschen versöhnlicher stimmte. Sie warf Garret einen dankbaren Blick zu und sie hätte auch noch etwas gesagt, wenn Renee sie nicht mit diesem ... unerwarteten und komischen Vorschlag aus dem Konzept gebracht hatte und Maggie erstmal nichts sagen konnte; nicht, weil sie sich nicht freute oder weil sie es unangebracht fand, sondern einfach weil es so unerwartet kam und ... doch, eigentlich ein wenig absurd war.
"Ich weiß nicht, ob das so klug wäre, Renee", sagte sie vorsichtig. "Oder möchten Sie, dass Ihr Bruder ... so aussieht wie Garret? Ich meine, Sie ... Sie haben mich schon in Action erlebt und eine blutige Nase hab ich auch schon mal bei jemandem hinterlassen und ... also ..." Maggie hielt zu inne und fuhr sich nervös durch die Haare. "Was ich sagen wollte ... die Einladung ist nett und ich freue mich auch, aber ... ich glaube nicht, dass ich dabei sein möchte. Und Sie müssen sich auch keine Sorgen wegen der Fahrt hier zu machen. Ich hab das gern getan. Wirklich."
Garret sah Renee sprachlos an, als sie ihren ziemlich gewagten Vorschlag Maggie unterbreitete. Gerade eben hatte er noch Abby dankbar für ihre Antwort zugenickt, nur um im selben Moment seinen schmerzenden Kiefer aufklappen zu lassen und die beiden Frauen mit schrecken anzusehen. An sich war nichts verkehrt an dem Vorschlag, aber Maggie und Renee bei einem gemeinsamen BBQ? Das erschien Garret dann doch ein wenig zu verfrüht. Aber Renee hatte es sicher nur gut gemeint und bei den ganzen Veränderungen des heutigen Tages durchaus verständlich. Er hatte nur ein wenig Angst vor Maggies Reaktion, die aber überraschend friedlich wie die ganze Fahrt schon über gewesen war, ausfiel.
Ehe er aber etwas hinzufügen konnte, kam ihm Abby zuvor.
"Also von David abgesehen... ich fände die Idee gar nicht so schlecht, Mom," dann musste sie wenigstens nicht unter all diesen fremden Menschen, mit einem beleidigten Dad, alleine sein.
"Ja, wieso nicht? Bevor du ganz alleine in deiner Hütte sitzt, während wir eine.. na ja, Party würde ich es nicht gerade nennen, aber zumindest ein bisschen Vergnügen haben?", unterstützte Garret Abby.
"Oh ich verstehe schon," sagte Renee allerdings die beiden nicht unterstützend und lächelte Maggie verständnisvoll zu. "Aber ich schätze David hätte es durchaus verdient, wenn ihm einer eines auf die Nase geben würde. Garret war so Gentleman und Vorbild und hat es nicht getan. Na ja, abgesehen von dem einen Mal," fügte Renee seufzend hinzu, bezweifelte aber, dass es David in seiner Wut überhaupt richtig gespürt hatte. "Aber zwingen können wir sie nicht. Ich dachte nur es wäre für Abby und sie vielleicht ganz nett, wenn sie einen Abend ein bisschen ungezwungener miteinander verbringen könnten."
"Ja, also ... hm ... im Grunde ist die Idee nicht schlecht", sagte Maggie vorsichtig und fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut. Sie fühlte sich ziemlich in die Ecke gedrängt und wusste nicht recht, wie sie da wieder rauskam. Sie hatte nämlich eigentlich keineswegs vor, diesem David eins auf die Nase zu geben, aber je nachdem wie blöd er ihr kam, konnte sie für nichts garantieren. Und dann hätte sie wohl allen wieder die Stimmung versaut. Und darüberhinaus hatte ihr die Vorstellung von einem guten Buch, einem Glas Wein und einem Kaminfeuer ganz gut gefallen - vorausgesetzt, wie schaffte es, den Kamin zu entfachen. Aber jetzt einfach so die Einladung abschlagen und Renee damit verletzten? Das ging auch nicht.
"Soweit ich das verstanden haben, lädt Ihr Bruder doch ein, oder?", versuchte sie erneut, sich aus der Schlinge zu ziehen. "Ich meine, dann ... dann sollte ich nicht einfach dazu kommen und ... also ... da werden sicher auch Dinge besprochen, die mich nichts angehen. Und abgesehen davon, dass ich ... ich möchte einfach nicht stören."
Renee hat sich doch glatt an en See eben fast verlaufen...
16.02 Uhr, Renee, Abby, Garret
"Ja, sicher, aber ich glaube nicht, dass es ihn stören würde, wenn wir uns ein paar Gäste selbst einladen," winkte Renee Maggies EInwand ab. "Aber ich verstehe dass wirklich. Wenn Sie nicht möchte, ist das völlig in Ordnung. Sie stoßen mir damit nicht vor den Kopf. Aber Sie können jederzeit rüber kommen, falls Sie es sich noch anders überlegen sollten, nicht Garret?"
"Ja, natürlich," beeilte sich Garret zu zustimmen, der noch ein bisschen irritiert von der Situation war. "Sicher. Wir wollen dich nicht zwingen. Überleg's dir, komm oder genieß deinen Abend alleine..."
Abby hätte ja gerne widersprochen und darauf bestanden, dass ihre Mutter kam, da sie sich so wehrte und Renee und Garret Verständnis zeigten, wollte sie nicht querschießen und am Ende noch einen unnötigen Streit heraufbeschwören. Darum sagte sie gar nichts und schwieg lieber.
"Okay, dann ... dann überlege ich es mir noch", sagte Maggie lächelnd und war innerlich froh, dass man ihr die Absage nicht krumm nahm und es ihr überließ, ob sie kommen wollte oder nicht. Anders wäre es auch ziemlich unfair gewesen und so eine gezwungene Einladung hätte allen sicher den Abend verdorben. Wobei sie fast davon ausging, dass der Abend für die fünf eh im Eimer war und wenn Garret sich so verhielt wie sie vermutete, dann würde er kein Wort sagen und den Beleidigten spielen. Und wahrscheinlich reihum die Herzen der anwesenden weiblichen Personen brechen. Wobei er es bei den anwesenden beiden Personen ja schon fast geschafft hatte... "Vielen Dank aber schon mal für die Einladung. Wir sollten ... erstmal den Drugstore suchen, zur Hütte fahren und dann ruht ihr euch aus. Das hab ich Abby vorhin schon geraten. Und dann sehen wir weiter, ob ihr überhaupt fit für eine Party seid."
"Na ja, wir müssen ja nicht viel tun," murmelte Garret. "Außer zuhören, und essen, schätze ich?", er sah fragend zu Renee, die nur mit den Schultern zuckte, aber dann nickte.
"Ja, ich denke das ist Davids Plan. Und die Einladung war ernst gemeint, Maggie. Ich habe sie nicht nur ausgesprochen, weil ich gehofft habe, sie würden sowieso ablehnen. Sie können wirklich jederzeit zu uns kommen, falls ihnen die Einsamkeit mit dem See und den Bäumen zu viel wird."
"Ja, wie uns," murmelte Abby, grinste ab ein wenig als sie daran dachte wie begeistert sie gestern erst gewesen waren, als sie ihr Dad zu dieser Hütte geschleift hatte.
Geht so. Schlechte Laune hab ich und schlecht geschlafen Und Dir? Besser?
16.02 Uhr, Maggie
"Das hätte ich auch nicht gedacht", sagte Maggie leise und wusste nicht, ob sie das als Unterstellung werten sollte oder nur als Unsicherheit von Renee, dass sie extra betonen musste, dass die Einladung ernst gemeint gewesen war. Maggie beschloss, dass letzteres der Fall war und war Renee deswegen nicht böse. "Ich überlege es mir wirklich", versprach sie. "Wenn ihr mich unbedingt dabei haben wollt, dann ... dann denke ich, kann ich auf die himmliche Ruhe und Entspannung hier verzichten." Das war zwar gelogen, weil sie ja gerade wegen der Ruhe und Einsamkeit hergekommen war und den ganzen Mist hinter sich lassen wollte. Aber der Mist hatte sie eingeholt und dann musste sie sich ihm wohl stellen. Ob sie wollte oder nicht. Ganz entfliehen konnte sie ihm wohl doch nicht wie gehofft.