"Ja, nicht?", fragte Annie und lächelte dabei schon wieder aufrichtiger. "Wir sind eben ein gutes Team und selbst wenn wir mal nicht einer Meinung sind, können wir darüber reden, ohne zu streiten. Und wegen des Kiosks ... das hab ich nie behauptet. Das kam von dir, oder? Dass es eins gibt. Aber nicht, dass es die einzige Möglichkeit ist, etwas Essbares zu bekommen." Okay, Jordan hatte es auch behauptet, aber dass es das Kiosk gab, bedeutete nicht zwangsläufig, dass es nicht auch irgendwo noch etwas anderes gab. Wobei es ihr eigentlich auch egal war. Sie war nicht hungrig und brauchte für sich nichts zu essen. Wenn David etwas wollte, würde sie ihm jedoch auf jeden Fall Gesellschaft leisten.
"Na ja, es gab da dieses Schild und auf dem war nur das Kiosk erwähnt. Normalerweise machen doch solche Einrichtungen Werbung um Touris anzulocken. Darum dachte ich mir, es gebe nur das Kiosk. Und Jordan hat es doch auch erwähnt. Was nicht heißen soll, dass wir uns nicht selbst davon überzeugen gehen sollten. Das tun wir ja. Eine Meinung, ein Team," sagte David schnell mit einem Grinsen, um vom Thema Jordan abzulenken. Aber Recht hatte Annie shon. Sie gehörten da wohl zu den wenigen glücklichen, die reden konnten. Wie viele hatten das Glück nicht? Man brauchte ja nur Garret und Renee als Beispiel anführen...
"Na gut, du hast gewonnen", sagte Annie grinsend, ohne auf Jordan einzugehen. "Aber so riesig wie der See ist, wäre es doch merkwürdig, wenn sie hier nur ein Kiosk haben und ... he, das wäre eine Marktlücke. Wir kündigen einfach unsere Jobs und machen hier ein Cafe auf. Vielleicht mit einem Angelladen nebenan oder einer Tauchschule oder so was. Du machst das Essen, ich bediene und ihm die Schule kümmerst du dich auch noch. Dafür mach ich die Buchhaltung und den Abwasch. Gut, im Winter wäre es hier ziemlich kalt und tauchen würde ausfallen, aber dann könnten wir ja zurück in die Stadt und dort irgendwas machen. Würde nur noch das Startkapital fehlen." Und wenn Maine ihnen bisher nicht nur Pech gebracht hätte, wäre die Idee vielleicht sogar noch eine kleine Spur ernster zu nehmen sein. Nur leider war man ja generell immer viel zu mutlos und nicht risikofreudig genug, um einfach auszusteigen. Aber phantasieren durfte man deswegen trotzdem.
"Also du hast manchmal Ideen," sagte David mit einem amüsierten Lächeln. "Ich kochen und Tauchschule. Und du beim Bedienen. Wo wäre das die Verbesserung zu unserem jetztigen Job? Wir müsten genauso lange arbeiten, auf den Füßen sein, Überstunden machen... abgesehen vom Startkapital nicht gerade verlockend, oder?"
"Na ja, wir wären an der frischen Luft, in der Natur ... Das vermisst du doch, oder? Okay, das hier ist nicht der Atlantik oder ein großer Ozean mit vielen Fischen, aber besser als der Froschteich im Boston Common ist er allemal. Denkst du nicht?" Annie grinste David frech an und hatte Spaß an dieser Idee, weswegen sie sich die auch nicht vermiesen lassen wollte. "Renee sagt, du vermisst das Meer und das Klima. Hier wird es im Sommer sicher schon warm. Palmen und Krokodile gibt es nicht, aber man kann nicht immer alles haben. Und wir hätten etwas eigenes. Wir arbeiten für uns und nicht für andere. Das ist doch was."
"So, sagt Renee?", fragte David mit einer hochgezogenen Braue. "Über was habt ihr denn alles geredet? Einmal davon abgesehen, hat sie recht. Und ja, das hier hat ewas verlockendes. Aber dann nur eine Taucherschule... okay? Das ist nicht zu viel Arbeit und wir können die Natur auch noch genießen."
"Ja, aber davon können wir nicht leben", meinte Annie und wünschte sich, sie hätte Renee nicht erwähnt, statt anzudeuten, dass sie über David gesprochen hatten. Aber zu spät. "Was soll ich denn den ganzen Tag tun? Das Boot lenken oder die Flaschen auffüllen? Nicht sehr befriedigend, denke ich. Und Renee ... ach, eigentlich haben wir gar nicht so viel geredet. Ich hab nur angemerkt, dass ich das Gefühl habe, zu vermisst eure alte Heimat. Da hat sie mir zugestimmt. Viel mehr war da eigentlich nicht. Ich rede nicht gerne über jemanden, der nicht dabei ist oder Bescheid weiß, weißt du."
"Nein, davon leben können wir wohl wirklich nicht davon," seufzte David und nickte, bei Annies weiteren Worten. "Und wegen Renee wollte ich dir nichts unterstellen. Ich hab mich nur gewundert. Das darf ich aber noch oder?"
"Das wollte ich damit auch ausdrücken. David", sagte Annie ein wenig erschrocken über Davids Interpretation. "Ich wollte nur sagen, dass wir nicht über dich gelästert oder intime Details ausgetauscht haben. Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie genau wir darauf gekommen sind. Aber auf jeden Fall ging es auch um Jackson und deinen Neffen, den du bekommst. Dass die beiden dann zusammen spielen könnten, wenn dein Plan funktioniert. Solche Dinge eben. Und dann hab ich ihr noch gesagt, dass du mir erzählt hast, Renee wäre Jacksons Lieblingstante. Das war doch okay, oder?"
"Oh ja, das war okay," sagte David etwas erleichtert. "Sie weiß es ja, eigentlich. Ich hoffe nur sie nimmt jetzt nicht an, dass wir furchtbare Dinge über sie hinter ihrem Rücken uns erzählen," er grinste Annie schief an. "Und was den Rest angeht... wie gesagt, bei euch Frauen weiß man einfach nie... da musste ich einfach nachfragen."
"Danke, dass du mich mit den Lästertanten in eine Schublade steckst", sagte Annie gespielt beleidigt. "So schlimm bin ich nun auch wieder nicht. Und ich denke auch nicht, dass Renee glaubt, wir würden über sie herziehen. Dazu ist sie nicht der Typ, oder? Zumal wir das ja auch gar nicht tun. Und wie gesagt: Wir haben nicht viel über das Thema gesprochen. Abby war ja zeitweise noch dabei, da ging das nicht. Und ich wollte es auch nicht. Was ich wissen soll, erzählst du mir. Und das, was ich - noch - nicht erfahren soll, will ich nicht von anderen hören." Und eigentlich wäre das ja jetzt eine gute Gelegenheit, um Renees Bitte wegen der Aussage nachzukommen, aber Annie traute sich nicht, die Sache anzusprechen. Sie wusste immer noch nicht wie sie das tun sollte und ob sie es überhaupt tun sollte. Einerseits würde es David sicher helfen, wenn er überzeugt wurde, dass es das Beste für ihn und Jackson wäre, wenn er gegen Ally aussagte. Aber andererseits war da immer noch die Angst, dass er abblocken und sie wegstoßen würde. Und dass Jackson sie eines Tages dafür hassen würde ...
"Hey, du musst dich nicht verteidigen, Annie," sagte David schnell. "Ich zieh dich doch nur auf. Ich hab kein Problem damit, wenn du und Renee über mich reden würdet. Du bist für sie die einzige und umgekehrt, die mit mir mehr zu tun hat als der Dienstweg erlaubt. Und wenn es da Probleme gibt oder Erfahrungsaustausch wegen mir und über mich.. weißt du, dass ist nur menschlich.Wobei du natürlich recht hast... Renee steht über so etwas..."
"Es war wirklich schön, mit jemandem über dich zu reden, der dich kennt", gab Annie zu. "Ich meine, wirklich kennt. Nicht wie Pete, der nur einen Bruchteil weiß oder irgendein Kollege, der dich weniger kennt als ich. Aber ... wie ich eben schon gesagt habe: Es war auch komisch. Eben weil ich unsicher war, was Dinge betrifft, von denen du mir noch nichts erzählt hast. Über eure Familie, eure Kindheit und solche Dinge. Und ... ähm ... ich glaube, Renee ist es da nicht anders gegangen. Und es waren nicht mal Probleme oder ein Rat, den ich von ihr wollte, sondern einfach ... ach, ich weiß auch nicht. Es war komisch. Aber da lag wahrscheinlich auch eher daran, dass sich soviel zwischen mir und Renee geändert hat und wir beide erstmal damit zurechtkommen müssen, dass wir keine 'Feinde' mehr sind. Das dauert sicher ein paar Tage."
"Oh, dann redet ruhig weiter über mich. Ich hab da kein Problem damit. Und ja, bestimmt wird es dauern und es verlangt auch keiner von euch, dass das einfach so von heute auf morgen geht. Ich bin sowieso schon ganz überrascht, wie gut ihr zwei könnt... wenn erst einmal all diese Wände dazwischen eingerissen sind. Aber ich weiß auch, dass es überwiegend natürlich an Renee lag. Sie öffnet sich nicht so gerne. Erst wenn sie zu der Überzeugung gekommen ist, dass es sich lohnt. Ach das klang jetzt total falsch," schüttelte David den Kopf und lächelte verlegen. "Ich wollte damit nicht sagen, dass sie aussortiert, sondern das sie einfach sicher gehen möchte, dass der Mensch, dem sie sich öffnet auch eine Weile in ihrem Leben bleibt. Ergab das einen Sinn?"
"Ja, das gab einen Sinn", sagte Annie lachend. "Und das davor hat sich auch nicht falsch angehört. Ich weiß dich, dass Renee schwer zu knacken ist und vor allem war ich nach der Sache mit Garret auch nicht unbedingt der beste Nussknacker. Ich meine, wenn … wenn du an ihrer Stelle gewesen wärst, dann wäre das sicher nicht anders gewesen. Dazu kommt noch, dass ich mich gleich im ersten Fall von seiner störrischen Seite gezeigt habe … da ist es wirklich ein Wunder, dass wir uns jetzt so normal unterhalten können wie wir es eben gemacht haben. Aber ich bin auch froh, dass sie denkt, es würde sich bei mir lohnen, es zu tun. Das … das bedeutet mir wirklich etwas. Ich glaube, das muss ich ihr noch sagen."