"Weiß ich doch," seufzte David. Sicher machte Annie nur Spaß, aber so verkehrt wie dieser Trip hier verlief, war sich David gar nicht so sicher, ob er noch zu Späßen aufgelegt war. "Und soll ich dir was sagen? Es ist ziemlich eigennütze.. aber es richt so verdammt gut und wenn die beiden gerade beim Essen sitzen und wir nun schon einmal da sind und eh schon Garret und Renee hier haben... also... nur wenn du möchtest. Ansonsten gehen wir einfach weiter und tun so als hätten wir nichts gesehen."
Annie wusste nicht, ob sie Davids 'Weiß ich doch' einfach so glauben sollte, aber da er sie fast im gleichen Atemzug schon wieder austrickste, konnte Annie deswegen gar nicht mehr reagieren, sondern nur noch das Gesicht verziehen und den Kopf schütteln. "Ich habe dich gefragt, was du willst", sagte sie. "Warum schiebst du mir die Entscheidung wieder zu? Mir ist es egal. Ich meine, wenn du so hungrig bist und es dir egal ist, dass sie vielleicht komische Fragen wegen unseres Aussehens stellen und wir uns Antworten überlegen müssen, dann bin ich dabei. Andererseits ist da immer noch Abby, die wir suchen müssen." Wobei es ihr auch lieber wäre, wenn sie sich mal kurz hätte setzen und durchatmen können. Aber sie wussten ja auch nicht, ob sie Woody und Jordan nicht vielleicht störten und ihnen mit ihrem Auftauchen auch noch den Tag versauen würden. Darin waren sie ja im Moment irgendwie Meister ...
"Hm.. das hast du aber vorhin auch gesagt, dass es dir egal ist, als es darum ging, ob wir noch mit zu Garret und Renee reingehen und hinter her erfahre ich dann, dass es dir nicht egal war. Darum frage ich. Ernsthaft. Ich will dich zu nichts zwingen, okay? Und was unser Aussehen angeht.. du hast recht. Aber wir könnten die beiden nach Abby frage. Falls sie vorbeigekommen ist? Und vielleicht fährt uns Woody sogar zurück zur Hütte... du könntest dich setzen, es gebe eine Menge Vorteile..."
"Okay, du hast gewonnen", sagte Annie und gab David einen Kuss. "Gehen wir sie besuchen und sagen zumindest mal hallo und fragen, wie es ihnen geht." Nur nach Abby wollte sie nicht unbedingt fragen. Denn dann kamen sicher Fragen nach Garret zurück und sie mussten Jordan doch alles erzählen, was passiert war, Jordan wäre sauer sein und Woody würde sie ganz sicher nicht zu ihrer Hütte zurückfahren. Und etwas zu essen bekamen sie dann garantiert auch nicht. "Und danke, dass du ... dass du soviel Rücksicht nimmst. Aber mach dir wegen vorhin nicht zu viele Gedanken. Ich hätte es eigentlich gar nicht erzählen sollen. Denn es war ... nicht so schlimm. Mach dir keine Sorgen deswegen. Wenn ich wirklich mal nicht mehr will, dann siehst du das ziemlich deutlich oder bekommst es zu spüren. Aber nach Abby fragen wir besser nicht."
David zog nur kurz die Brauen in die Höhe. Er war schließlich der Meinung, dass Annie alles Recht der Welt gehabt hatte ihm davon zu erzählen. Und Sorgen deswegen machte er sich so oder so. Na ja, nicht wirklich Sorgen, ein paar Gedanken. Und die waren sicherlich nicht verboten. Wieso sie aber das Potential von Verstärkung im Fall von Abby nicht ausnutzen sollten, verstand er dann doch weniger. "Okay, gehen wir Richtung Hütte weiter und... wieso sollen wir nicht fragen? Wir ersparen uns vielleicht einen unnötigen Gang? Und Jordan udn Woody könnten doch ihre Augen aufhalten, falls wir Abby nicht am See finden."
"Weil wir ihnen dann sagen, dass Garret und Renee hier sind", antwortete Annie verwundert darüber, dass David offenbar in der Beziehung ein wenig schwer von Begriff war. "Und dann fragen sie, warum Abby weggelaufen ist und warum ausgerechnet wir sie suchen und solche Dinge. Was willst du ihnen da sagen? Willst du ihnen erzählen, was passiert ist? Dann wird Jordan gleich zu Garret wollen und dann bekommt Renee noch schlechtere Laune und Jordan regt sich auf und schon haben wir dem nächsten Paar den Urlaub verdorben. Willst du das wirklich? Also ich nicht. Dann laufe ich lieber noch einmal um den See herum und suche Abby."
"Ja, also.. okay.. so genau hab ich nicht darüber nachgedacht," gab David zu. "Aber wenn wir so tun, als wäre alles in Ordnung, also ich wäre nur gegen eine Tür gelaufen und du einen Hang hinabgestürzt... würden sie auf die drei vielleicht von alleine stoßen und sich wundern, dass wir ihnen nichts gesagt haben, wenn einer von ihnen uns erwähnt. Ich finde das wäre dann schlimmer, oder?" Wobei sich David nicht vorstellen konnte, dass Jordan gleich zu Garret lief. Wieso auch? Wegen der Schlägerei? Okay, die mussten sie ja nicht erwähnen. "Wir brauchen doch gar nicht alles erzählen. Nur das sie hier sind und es Probleme gab und Abby sich alleine gelassen gefühlt hat und alleine losgezogen ist und wir sie jetzt suchen, und die anderen auf ihre Rückkehr warten?"
"Und wie groß wäre die Chance, dass die fünf sich begegnen und dass Renee erzählen wird, was passiert ist?", fragte Annie zurück. "Sehr gering. Und Garret wird garantiert von sich aus nichts sagen. Also ... das Risiko würde ich gerne eingehen. Denn glaub mir: Jordan wird zu Garret laufen oder ihn zumindest anrufen. Und welchen Eindruck das auf ihn und vor allem Renee machen wird, kannst du dir sicher denken. Sie schicken uns los, um Abby zu suchen und wir haben nichts besseres zu tun, als gleich Jordan und Woody von ihren Problemen zu berichten. Tolle Freunde wären wir da ..." Annie schüttelte den Kopf. "Nein, da gefällt mir die Idee mit dem Abhang schon besser. Und für dich ... lassen wir die Tür weg und nehmen ein Ast, der dir ins Gesicht geschlagen ist, als du mich festhalten wolltest. Das klingt ... heldenhafter und nicht so lächerlich wie eine Tür."
"Okay, okay, du hast mich überzeugt," denn schließlich war es ihm noch immer wichtiger für Renee und Garret ein Freund zu sein und nicht für Woody und Jordan. Wo letztere ja offenbar irgendwie ein Problem mit ihm hatte und Woody kannte er ja auch nicht wirklich näher. "Wir sagen nur hallo und laden uns frech zum Essen ein. Wobei wir sie auch zum BBQ hätten einladen können. Wäre gemütlich geworden und Renee und Garret hätten ein bisschen ABlenkung und Abwechslung... oh... hat Jordan gerade vor Woody zu erdolchen.. mit einer Zange?" David zeigte nach oben wo Jordan sich gerade mit einer Grillzange auf der Veranda zu Woody herumdrehte.
"Ja, das hätten wir tun können, wenn du einen noch steiferen Abend hättest haben wollen", sagte Annie und fand die Idee, sich jetzt bei den beiden einzuladen gar nicht mehr so gut. Sie hatte noch gut in Erinnerung, was bei diesem Lunch an der Uni und abends bei ihr passiert war, als David und Jordan zusammen gewesen waren. Da war irgendetwas, das man als dicken Elefanten hätte bezeichnen können. Und das gefiel Annie ganz und gar nicht. Sie wollte David und ihre Freunde haben. Nicht nur eins von beidem. Aber scheinbar war das wohl unmöglich ... Davids Frage lenkte Annie von ihren Gedanken ab und sie sah schnell in die Richtung, in die er deutete, ohne sich erst großartig um den Sinn der Frage zu kümmern. "Oh", sagte sie. "Das ... das sieht wirklich so aus. Oder?" Unsicher sah sie von der Szene zu David und wieder zurück. Was war da nur los? Die nächste Folge der Annie-Show oder war alles ganz harmlos?
"Ein bisschen," nickte David und grinste. "Aber ich glaube Jordan wird nicht so verrückt sein einen Polizisten zu ermorden. Sie müsste doch wissen, dass wir jeden kriegen. Aber was deine ANmerkung für den abend angeht.. war ja nur eine Idee. Wahrscheinlich hast du ja wieder recht..."
Ich springe mal ein bisschen, damit wir die Zeit aufholen. Wenn David vorher was sagen wollte, editiere ich aber gerne
13.28/35 Uhr, Annie
Es dauerte eine ganze Weile, bevor Annie den Mut fand, wieder etwas zu sagen. Bis dahin lief sie schweigend den Weg entlang, ignorierte alles um sie herum - inklusive des Motorengeräuschs, der Geräusche des Waldes und auch David - und hing einfach ihren Gedanken nach. Sie fühlte sich scheußlich. Sie war traurig, sie war wütend, sie war enttäuscht, ohne Hoffnung, ohne einen Plan, wie es weitergehen sollte und wohin sie das alles noch führte. Selbst ihr Universalgesetz, immer einen Schritt nach dem nächsten zu tun, gelang ihr nur noch in Bezug darauf, weiter zu laufen und nicht zu stolpern. Sie versuchte es zwar, indem sie sich sagte, dass es das Beste wäre, wenn sie erstmal Abby suchten und hoffentlich fanden, dass sie sie zurück zu Garret und Renee brachten und dort nach dem Rechten sahen. Und dann würden sie weitersehen. Ging es den beiden gut, wollten sie das BBQ, dann machten sie das BBQ. Wollten sie es nicht, entschieden sie, was als nächstes getan werden konnte. Aber es funktionierte einfach nicht. Sie kam nie weiter, als bis zu dem Punkt, dass sie an den See gingen und niemanden vorfanden. Was sie dann tun würden, wusste sie einfach nicht. Und das schlimmste war: Es war ihr egal; egal ob sie Abby fanden, egal wie es Garret ging, egal wie das mit Woody und Jordan weitergehen würde ... einfach alles war ihr egal. Nur nicht, dass David bei ihr war und er sie brauchte. Das war ihr alles andere als egal. Er war ihre Aufgabe, der Grund, warum sie nicht einfach weglief oder ihren Lungen erlaubte, einfach das Atmen einzustellen. Er brauchte sie und sie brauchte ihn. Das war ihre Chance, daran konnte sie sich klammern. Und egal was Jordan gesagt hatte, sie hatte keine rosarote Brille auf und ließ sich von David herumschubsen. Sie hatte ihre eigene Meinung und sie wusste, was sie in Bezug auf ihn wollte. Jordan konnte sie mal kreuzweise. Sie brauchte Jordan nicht. Sie wollte sie nicht. Nie wieder ... Und dann war da diese leise Stimme in ihrem Kopf, die sie eine Lügnerin schimpfte, die sich nur etwas vormachte ... und diese Stimme sorgte letztlich dafür, dass Annie das tat, was sie in den letzten Minuten so tapfer bekämpft hatte: Sie schluchzte leise auf, blieb stehen und wandte sich ein wenig von David ab, weil sie sich dafür schämte, dass sie so eine Heulsuse geworden war und nicht mehr so stark und gelassen bleiben konnte wie sonst immer. Aber sonst war auch nie alles so über sie hereingebrochen und so viel schief gegangen wie heute.
David war erst Annie hinter her gelaufen, um sie einzuholen, dann war er etwas langsamer geworden, als hinter ihm ein Motor aufheulte und Woodys Wagen in einer Staubwolke verschwand. Im ersten Moment war er sich sicher, dass Jordan hinter dem Steuer saß. Der Tpy war sie eindeutig. Aber dann kamen ihm in diesem Zusammenhang Zweifel über ihr Weggehen auf und er wurde noch etwas langsamer. Sollten sie nicht Woody ein bisschen beistehen? Absurd... sie hatten das ja gerade alles selbst verursacht. Sie wollte er auf keinen FAll sehen. Und wenn es gar doch Woody war, der weggefahren war, dann würde Jordan noch weniger Wert auf ihren Trost legen. Darum holte er doch schnell zu Annie auf, wagte aber irgendwie nichts zu sagen. Er machte einen Versuch, aber Annie schien wie weggetreten und in ihren eigenen Gedanken gefangen zu sein. Und was hätte er schon sagen sollen? Das alles gut werden würde? Oder das es nicht so schlimm war? Alles wäre eine Lüge gewesen. Es würde wohl nie wieder gut werden und schlimm war es auf jeden Fall gewesen. Wobei... vielleicht würden Woody und Jordan mit etwas Abstand genau das Sehen was es war - zwei Menschen, die Angst davor gehabt hatten ihren Freunden die Wahrheit zu erzählen, um das Wagnis am Ende doch einzugehen. Und vielleicht würde sie das besänftigen? Und Annie hätte nicht durch ihn oder wegen ihm zwei Freunde verloren...
Annies Schluchzen an seiner Seite und das sie stehen blieb, irritierte David kurz, so dass er ein paar Schritte weiterlief, bis er begriff und zurück zu ANnie eilte, sie in die Arme schloss und sie fest an sich zog. Viel sagen musste er gar nicht, er wollte Annie nur halten, damit sie alles herauslassen konnte, was die letzten Minuten an Kraft geraubt hatten...
Im ersten Moment versteifte Annie sich ein wenig, weil es ihr unangenehm war, dass David sie so sah und trösten musste, obwohl es ihm sicherlich auch nicht viel besser ging als ihr. Wie sie ihn kannte, machte er sich garantiert Vorwürfe und überlegte sich, was er tun konnte, um die Sache wieder gerade zu biegen. Und wahrscheinlich hatte er auch Angst, dass sie ihm die Schuld gab und sauer auf ihn war oder enttäuscht. Aber das war sie nicht. Sie war ihm nicht böse für das, was gerade bei Jordan und Woody passiert war. Es war ihre dumme Idee gewesen, zu lügen und David hatte sich nur daran gehalten, obwohl er es von Anfang an nicht gut gefunden hatte und sicher gerne gleich mit allem rausgerückt war. Nein, wenn sie auf jemanden böse war, dann auf sich. Und auf Jordan, weil sie so extrem reagiert und Dinge gesagt hatte, die wirklich wehtaten. Aber es war auch in Ordnung. Jetzt wusste sie, was sie an den beiden - denn Woody hatte sich auch nicht viel besser verhalten - nicht hatte und wie unwichtig sie ihnen doch war. Deswegen war es schon okay, dass es so gekommen war wie es gekommen war. Trotzdem war Annie traurig und hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Als David sie in den Arm nahm und sie die erste Sekunde überstanden hatte, ließ sie sich vollkommen fallen und klammerte sich wie eine Ertrinkende an David, weinte ohne Hemmungen einfach weiter und kümmerte sich gar nicht mehr darum, wie unangenehm und peinlich ihr ihre Reaktion doch war. David war ihr Freund. Sie vertraute ihm wie sonst niemandem auf der Welt - abgesehen von sich selber - und deswegen sollte es nichts geben, was ihr peinlich sein musste. Irgendwann wurde ihr Schluchzen weniger und sie ließ sich von Davids Herzschlag an ihrem Ohr beruhigen, bis sie nur noch stumme Tränen vergoss und ab und an die Nase hochzog. Ihre Arme hielt sie dabei weiterhin um ihn geschlungen, als Zeichen, dass sie seine Nähe noch brauchte. Unter anderem weil sie sich nicht sicher war, ob sie ihren Beinen noch trauen konnte, dass sie sie tragen würden, wenn David sie los ließ. "Danke", murmelte sie leise und zog wieder die Nase hoch. Sie hätte jetzt gut ein Taschentuch gebrauchen können, aber das letzte hatte Garret von ihr bekommen.
"Danke für was?", fragte David vorsichtig nach, nachdem er erst eine kleine Weile nichts anderes getan hatte, als Annie zu halten, um ihr Nähe zu geben und den nötigen Halt, wie es schien, so verzweifelt wie Annie weinte und sich an ihn klammerte. Das sie jetzt ein wenig ruhiger geworden war und ihn los ließ, beruhigte ihn dann allerdings gewaltig. Hätte Annie nämlich noch eine Sekunde länger in diesem Zustand geschluchzt, wär er sicher hoffnungslos mit der Situation überfordert gewesen.