"Ja, ich weiß. Wir haben noch viel vor uns. Vielleicht rufen wir uns einfach ein Taxi? Klingt ein wenig der Natur wegen absurd, aber bevor wir den ganzen Weg laufen müssen? Ich würde ja sagen wir bitten Woody um seinen Wagen, aber da... da haben wir ien paar Hürden mehr zunehmen und irgendjemand scheint vorhin auch mit dem Wagen weggefahren zu sein... und du bist dir sicher, dass alles in Ordnung ist? Weil bei deinem TEmpo hier, wäre sogar eine Schnecke schneller."
"He, eine alte Frau ist kein Schnellzug", sagte Annie grinsend, obwohl ihr danach gar nicht zumute war. Es ärgerte sie, dass David sich nicht hatte ablenken lassen, aber scheinbar musste sie sich wohl damit abfinden, dass er sie immer besser durchschaute und sie ihm einfach nichts mehr vormachen konnte. Und auf der anderen Seite hatte Woodys Name wieder Dinge hochgeholt, die sie schön verdrängt hatte. Aber deswegen wollte sie David keine Schuld geben. Sie hatten ja gerade erst gelernt, wie dumm und nutzlos es war, Dinge zu verdrängen. "Taxi klingt gut, aber ... Woody ist vorhin mit dem Wagen weggefahren? Hab ich gar nicht mitbekommen. Wann denn?"
"Ja, eine alte, verletzte Frau," fügte David hinzu, versuchte aber dabei zu lächeln und nicht all zu tadelnd zu klingen. "Und dann geht das Taxi klar, weil ich wie gesagt Woodys Wagen ist wirklich weg. Er oder Jordan ist damit kurz nachdem wir die Hütte verlassen haben damit weggefahren. Hast du das wirklich nicht mitbekommen? Wir waren noch nicht um die erste Wegbiegung, ist der Wagen mit heulenden Motor weggebraust."
"He, du musst mir bei so was widersprechen und nicht zu dem alt noch etwas dazu fügen", beschwerte Annie sich grinsend, schüttelte dann aber mit ernster Miene den Kopf, als David nach dem Wagen fragte, den sie absolut nicht gehört hatte. "Ich hab den Wagen wirklich nicht gehört", sagte sie leise. "Muss wohl ... ich muss da wohl etwas abgelenkt gewesen sein. Oder abwesend."
"Oh," sagte David und grinste frech. "Ich wusste doch, dass ich etwas falsches gesagt habe... beim nächsten Mal okay?," er streckte aber gleich seine Hand aus und grinste dabei weiter. "Soll ich dir irgendwie das letzte Stück helfen? Weil Abwesenheit im Moment wohl nicht so ganz dein Problem ist?" und wieso es Annie vorhin gewesen war, konnte sich David sehr gut vorstellen. Er wollte es nur nicht noch extra laut ansprechen. Annie klang schon bei der Andeutung alles andere nur nicht begeistert.
Annie erwiderte Davids Grinsen und griff dankbar nach seiner Hand. Sie wäre zwar auch so zurechtgekommen, aber seine Hand hätte sie so oder so genommen. Wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte. "Ich komme schon klar", sagte sie. "Aber du darfst trotzdem helfen. Auch wenn ich nicht abwesend, sondern jetzt voll da bin." Aber auch nur, weil sie ihren eigenen Vorsatz brach und alle Gedanken an den Streit wieder in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses zurückschob.
"Ja, das sehe ich," sagte David mit einem Nicken und grinste weiter, als er Annies Hand ein wenig fester umschloss, als sie stand, um sie sanft an sich zuziehen, damit er ihr einen Arm um die Schultern legen konnte. Die Hüfte ließ er dieses Mal absichtlich außen vor, aus Angst er könnte Long Island zu nahe kommen. "Voll und ganz. Aber wir können trotzdem gemütlich zurückschlendern und nach den Booten sehen."
Unabhängig von David hätte Annie sowieso Davids Nähe gesucht und ließ sich deswegen bereitwillig an ihn ziehen und legte ihm einen Arm um die Hüfte, während er seinen Arm um ihre Schultern legte. So war es ihr doch viel sicherer zu laufen und den kleinen Schwindelanfall, den das Aufstehen ausgelöst hatte, zu bekämpfen. Von dem sie David jedoch nichts zu zeigen versuchte und sie hoffte, dass ihm nicht weiter auffiel, dass sie ein wenig wackelig stand. Er machte sich schon genug Sorgen um sie und sollte sich nicht noch mehr machen. Außerdem hatte der Schwindel ja garantiert nichts mit den Ereignissen der letzten Tage zu tun, sondern war ein Schwindel, der sporadisch auftrat, wenn sie sich zu schnell bewegte oder aufstand. Oder wenn sie zu wenig gegessen hatte, flüsterte ihr eine leise Stimme in ihrem Kopf zu, die Annie aber einfach ignorierte und lächelte. "Gemütlich klingt gut", sagte sie und hielt gleichzeitig Ausschau nach dem Bootsverleih oder versuchte zu schauen, woher die Boote auf dem See gekommen beziehungsweise wohin sie unterwegs waren.
"Dachte ich mir," sagte David und fügte dem auch nichts mehr hinzu. Sie wussten beide, dass es Annie nicht gerade gut ging und das sie mehr damit zu tun hatte, zu verbergen wie es ihr wirklich ging. "Was machen wir, wenn es keine Tretboote gibt? Das Taxi rufen und uns auf der Veranda gemütlich machen? Oder willst du noch etwas um den See? Also ein paar Schritte natürlich nur?"
"Ach, lass uns einfach noch ein bisschen spazieren gehen", meinte Annie. "Zumindest bis Renee sich meldet. Dann können wir auf dem Rückweg gleich Abbys Handy zurückgeben und vielleicht leihen die drei uns auch ihren Wagen. Dann brauchen wir kein Taxi und entgehen der Blamage, als unsportliche Touristen aus der Stadt schief angesehen zu werden. Oder? Ich meine, bis zur Hütte schaff ich es schon noch. Und jetzt gleich zurück zu fahren ist auch dumm. Nach all den Strapazen, die wir hatten, bis wir hier waren, sollten wir auch noch ein bisschen bleiben." Sie mussten ja nicht den ganzen See einmal umrunden. Nur ein Viertel vielleicht oder so.
"Okay, deine Entscheidung," sagte David offen. "Ich mache was du sagst und was du willst. Weil du hier diejenige bist, die angeschlagen ist. Einverstanden? Wenn du lieber vorher zurück willst, sag es, dafür gehe ich auch die Blamage ein. Ansonsten, kein Problem. Guter Plan," er grinste sie ein wenig an und sah dabei gleich suchend auf das Wasser, ob sich nicht schon jemand mit einem Tretboot auf den See verirrt hat...
"Na, du bist aber auch nicht so fit", wandte Annie ein und sprach dann auch endlich mal das aus, was sie vorhin nur gedacht und bis jetzt angedeutet hatte. "Du hast einen schlimmen Rücken, hast einen Schlag abbekommen und bist vor allem emotional angeschlagen. Deswegen ... du brauchst nicht den Starken für mich zu spielen. Ich mag auch schwache Männer, weißt du. Die, die zugeben können, dass es ihnen nicht gut geht. Nicht unbedingt diese Hypochonder, die hinter jedem Schnupfen gleich eine tödliche Grippe vermuten, aber so ein Zwischending eben. Zuzugeben, dass es einem nicht so gut geht und ehrlich deswegen sein, zeugt von Stärke und nicht von Schwäche." Aber wahrscheinlich war das auch wieder so eine Sache, die sein Vater ihm falsch mit auf den Weg gegeben hatte und die Annie David deswegen nicht vorwerfen durfte - was sie aber auch gar nicht tat. Sie wollte lediglich deutlich machen, dass er sich bei ihr nicht zu verstellen brauchte. So wie sie es bei ihm auch nicht tun musste oder durfte.
"Oh... oh, du weißt aber schon, dass ein Gentleman so ewtas nie, nie zugeben würde, nicht einmal wenn er so charmant dazu aufgefordert wird," fragte David, wobei sein Grinsen aber ein wenig schwächer ausfiel, als geplant. "Aber ich glaube bei dir kann ich eine kleine Ausnahme machen und zumindest zugeben, dass mein Rücken okay ist," dieses Mal war das Grinsen breiter. "Und das Kinn doch ein wenig mehr schmerzt, als mir lieb wäre und da wären Kopfschmerzen und was das emotionale angeht.. frag lieber nicht weiter... soll ich weitermachen oder jammere ich schon zu viel?"
Annie schüttelte den Kopf, hielt dann aber irritiert inne, als ihr bewusst wurde, dass David ja eine Auswahlfrage gestellt hatte und keine, wo man einfach mit ja oder nein antworten konnte. "Nein, du ... du jammerst nicht", sagte sie deswegen und sah David besorgt an, weil er ihr nur bestätigte, dass es ihm doch nicht so gut ging wie er die ganze Zeit versucht hatte, zu zeigen. "Ich nenne das Ehrlichkeit und ... vielleicht sollten wir dann doch zurückgehen? Wenn du Kopfweh hast, wäre es sicher angebracht." Wobei diese emotionalen Dinge am Besten damit bekämpft wurden, dass man sich ablenkte, statt sich auf der Veranda auszuruhen. Das würde dann wohl doch eher für den Bootsausflug sprechen. Aber alles andere ... alles andere sprach eher dagegen. Jetzt wusste Annie gar nicht mehr, was sie tun sollten, und sie seufzte leise. "Warum hast du nicht schon eher was gesagt? Dann hättest du welche von Woodys Tabletten haben können." Und sie hätte ja auch mal eher fragen können, flüsterte die leise Stimme in ihrem Kopf wieder und Annies schlechte Gewissen wuchs wieder ein Stück weiter.
"Ach, ist doch nicht so wild und wichtig. Ich hab doch selbst Schuld oder nicht? Garret hat sich nur gewehrt und jetzt tut mir eben ein bisschen was weh. Das ist bestimmt nichts im Vergleich zu ihm. Das kann ich schon aushalten. Vielleicht hab ich auch gedacht, dass ich es aushalten muss. Als kleine Buße. Aber wir müssen deswegen auf keinen Fall umdrehen. Wir machen unseren Ausflug."